Das Lied der schwarzen Berge
Gebirgsjäger Hauptmann Vranas. Sie fanden die Hütte nicht, und die Unteroffiziere schrien und tobten.
Straflager … Steinbruch und Hitze … Hauptmann Vrana stellte bereits die Liste zusammen.
Am Abend saßen die Soldaten in ihren Zelten und weinten vor Angst.
Die Bohrarbeiten am Felsen waren an der ersten Stelle eingestellt worden. Nach zweihundertundzehn Metern hartem Gestein gaben die Geologen es auf, hier nach einem eingeschlossenen See zu suchen. Man verlegte die Bohrstelle auf die andere Seite des Felsens … hier war es noch sinnloser, denn der See lag oberhalb des Teiles, in den sich die Bohrstangen einfraßen. Sie unterbohrten den See und trafen nur auf Gestein. Dreißig … vierzig … siebzig Meter … Die Geologen verzweifelten. Selbst Meerholdt glaubte nicht mehr an seinen großen Gedanken, nur die Erzählung Rosas hielt ihn aufrecht, der Bericht von Jossips Höhle, mit dem er sie in den Wald gelockt hatte. Und das Rinnsal aus dem Felsen war ebenfalls nicht fortzudenken … als man an dieser Stelle bohrte, vergrößerte sich zwar der Wasserstrahl, aber man traf auf kein Becken, das das Wasser mit einem gewaltigen Strahl durch den Hohlbohrer drückte wie einen Geiser.
Eines Tages erschien völlig überraschend und unangemeldet ein großer, chromblitzender Wagen in Zabari: Stanis Osik.
Nach dem völligen Zusammenbruch und einer Zeit fast paranoischer Lethargie war in ihm wieder ein Funken Lebenswille erwacht. Die Geschäfte eines Leiters der staatlichen Bauten hatte er noch nicht wieder übernommen, aber nachdem man ihm mitgeteilt hatte, daß der Mörder Elenas bekannt sei, hielt es ihn nicht länger in seiner weißen Zagreber Villa.
»Ich werde Jossip eigenhändig erwürgen!« hatte er zum Abschied zu seinem Chauffeur gesagt.
Es war niemand, der an der Ausführung dieser Tat zweifelte.
Nun war er wieder in Zabari, etwas dünner geworden, weißer im Haar und herzkranker denn je. Er bezog Elenas Zimmer in Meerholdts Baracke, und er war es, der den aufgebrochenen Koffer entdeckte.
»Sie lebt!« schrie er durch die Baracke. Er gebärdete sich wie ein Irrer … er schleppte den zerbrochenen Koffer herum, zeigte ihn Hauptmann Vrana, fiel Meerholdt weinend um den Hals und wurde von dem Arzt mit einer starken Dosis Herztropfen auf den Beinen gehalten.
Der Koffer wurde untersucht. Das Rätsel um Elena verstärkte sich. Stanis Osik war nicht abzubringen von seiner Theorie, die er sofort entwickelt hatte.
»Ein Toter braucht keine Kleider, keine Wäsche! Wenn sie ermordet wurde, warum hat der Mörder später ihre Kleider geholt? Warum setzte er sich der großen Gefahr aus, die dieser Einbruch mit sich brachte? Nein, nein, meine Herren – Elena wird von Jossip irgendwo gefangengehalten! Es zeugt von Ihrer Idiotie, daß Sie sie bisher noch nicht gefunden haben!« Dabei sah er Hauptmann Vrana an. Dieser wurde rot und verließ sofort das Zimmer.
»Aber das Blut!« wandte Meerholdt ein. »Die blutige Wäsche. Die Laboruntersuchungen haben ergeben, daß es Elenas Blut war. Einwandfrei!«
»Jossip hat sie verletzt. Sie hat sich gewehrt, meine Elenaschka. Oh, sie ist ein tapferes Mädchen!« Osik atmete schwer. »Schlagen Sie Plakate an, Meerholdt. 100.000 Dinare Belohnung dem, der mir Elena oder Jossip findet!«
Hauptmann Vrana kam wieder herein, er hatte draußen seinen Unteroffizieren nur vier Worte gesagt. »Übermorgen geht es ab!« Das genügte. Er hörte noch den letzten Satz Osiks, als er eintrat.
»Für 100.000 Dinare bekommen Sie keine Röntgenaugen, Herr Osik! Wir haben nach den besten Karten die Berge durchgekämmt … das Versteck Jossips haben wir nicht gefunden! Wissen Sie, was es heißt, diese Schluchten und Spalten, Zerklüftungen und Plateaus, diese Höhlen und ausgewaschenen Buchten zu untersuchen? Es ist ein Labyrinth, in dem sich keiner auskennt! Es wird nie möglich sein, die schwarzen Berge bis ins einzelne zu erforschen! Es sei denn, man hat Jahre zur Verfügung … nicht Tage oder sogar nur Stunden wie wir.«
Stanis Osik kaute an der Unterlippe. »Setzen Sie die Bauern ein, Vrana.«
»Seit dem Überfall auf Rosa durchzieht der alte Fedor Suhaja jede Nacht die Berge und sucht Jossip. Wenn er am Abend aufbricht, in seinem langen Umhang, das Beil in der Hand, denke ich immer an ein Bild aus irgendeiner griechischen Tragödie. Glauben Sie mir, daß der alte Suhaja die Berge kennt … seit über sechzig Jahren durchstreift er sie. Auch er findet Jossip nicht.«
Stanis Osik rauchte
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