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Das Lied der schwarzen Berge

Das Lied der schwarzen Berge

Titel: Das Lied der schwarzen Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gesicht empor. Er schob sich auf die Knie und lehnte den Kopf erschöpft gegen die Türbalken. »Fedor jagt mich wie einen wildernden Hund. Er hat ein Beil bei sich … Ich habe Angst …«
    »Du hast Angst?« Elena erhob sich, aber Jossip ergriff die Peitsche und das Messer.
    »Bleib sitzen! Erst, wenn ich tot bin, ist die Tür frei! Und ich sterbe so schnell nicht!«
    »In spätestens zwei Tagen hast du den schönsten Wundbrand! Du bist irrsinnig in deiner Wut.«
    »Sie sollen mich holen!« Jossip zog sich an den Querbalken empor … schwankend stand er an der Tür.
    Seine Schulterwunde war verharscht … seine aufgeschlagenen Knie und der linke Oberschenkel waren große Wunden, aus denen Blutserum und Eiter floß. Mit Blättern und einem Wurzelbrei hatte er versucht, das Blut zu stillen, aber die Wunden waren zu groß und tief. Die Mittel der Natur versagten … in Jossip brach auch diese Welt zusammen – selbst die Natur verließ ihn und stieß ihn zurück in das Elend. Die Natur, die er retten wollte – seine letzte, große Geliebte. »Ich warte, bis er kommt! Und er wird kommen … ich weiß es … Mit ihm zusammen gehe ich in die Hölle!«
    Elena wußte, wen Jossip mit ›er‹ meinte. Und sie wußte, daß Meerholdt mit seinen Leuten die Berge absuchte und einmal auch das Geheimnis Jossips entdecken würde. Dann gab es keine Gnade mehr, dann verhüllte Gott sein Haupt und weinte über die Menschen.
    »Wenn du mich gehen läßt, will ich Ralf bitten, dich leben zu lassen. Du hast keinen Menschen getötet – warum sollten sie dich töten? Sie glauben, du habest mich umgebracht, aber wenn ich gesund zurückkomme, werden sie dir nichts tun!«
    Jossip lächelte grausam. Er lehnte sich an die Tür und umklammerte Halt suchend die Balken. »Sie sollen mich nicht sehen«, sagte er leise. »Und ich werde auch dich nicht töten, nicht Meerholdt, nicht Rosa, nicht den Hund Vrana … Ich werde sie alle töten! Alle!« schrie er wild. »Ich habe eine Waffe, die sie nicht besiegen! Ich habe einen Gott in der Hand! Von einem Atemzug zum anderen werden sie sterben … sie werden sehen, wie sich der Himmel verdunkelt, und ehe sie schreien können, sind sie vernichtet. Nur die Natur wird schreien, mein Gott wird schreien: Rache! Rache! Und ich werde lachen und meine Wunden in ihrem Untergang kühlen …«
    Elena starrte Jossip wie etwas Grauenerregendes an. Sie wich zu ihrem Lager zurück und setzte sich an den Ofen auf das Stroh.
    »Warum willst du das?« fragte sie stockend.
    Jossip lehnte den Kopf an die Tür. »Sie haben mir die Heimat genommen, die Liebe, den Glauben, den Himmel und die Erde! Was bin ich denn noch? Bin ich noch Jossip, der Schäfer?! Meine Weiden werden zu Äcker … meine Täler werden Seen … mein Dorf wird eine Stadt … meine Berge werden zerstückelt … meine Pfade auseinandergerissen zu Straßen. Mein Land blutet, und mein Herz blutet … Ist das nicht genug, alles zu vernichten?! Wie schön war das Leben, bevor sie nach Zabari kamen. Die Zeit schreckte uns nicht … wie Jahrhunderte vor uns weidete das Vieh in den Bergen. Ich hätte Rosa bekommen, und unsere Kinder hätten die Herden vermehrt und wären ausgezogen in andere Täler und hätten sich Frauen genommen … ein Geschlecht der Petaki! Was bin ich jetzt?« Er ballte die Fäuste. »Ich muß sie vernichten!«
    Er stieß sich von der Tür ab und schwankte durch den Raum, das Messer und die Peitsche in den Händen. Mißtrauisch sah er sich nach Elena um.
    »Versuche nicht zu flüchten! Auch wenn ich lahm bin – meine Peitsche erreicht dich. Und auch das Messer!«
    Er wankte zum Tisch, setzte sich und begann, seine eitrigen Wunden mit Wasser auszuwaschen. Dann legte er wieder einen Brei aus Blättern und Wurzeln auf seine Wunden und umwickelte sie mit Leinenstreifen. Dann wankte er wieder zur Tür zurück, legte sich auf das Stroh, das er davor geschüttet hatte.
    »Ich hätte dich für vernünftiger gehalten, Jossip«, versuchte Elena noch einmal ein Gespräch.
    Jossip antwortete nicht. Er nahm seine Peitsche und schlug zu ihr hin. Die Spitze der Lederschnur traf ihre Schulter … sie zuckte zusammen und kroch weiter in die Ecke.
    Du Satan, dachte sie. Man sollte kein Mitleid haben! Man sollte dich verrecken lassen. Aber sie schwieg.
    Selbst als Jossip schlief, wagte sie nicht, aufzustehen und an ihn heranzutreten. Sie wußte, daß er wie ein Wild schlief, jeden Augenblick aufwachend und sich verteidigend.
    In den Bergen suchten die

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