Das Lied der Sirenen
des Hauses des Verdächtigen.«
»Eine legale Durchsuchung?« wollte Penny wissen.
»Soweit mir bekannt ist, hat er sich auf ›dringenden Tatverdacht nach Gewinnung neuer Ermittlungsergebnisse‹ berufen«, sagte Kevin vorsichtig.
»Und was ist nun eigentlich los? Hat Popeye dem Verdächtigen bei der Hausdurchsuchung gefälschtes Beweismaterial untergeschoben oder was?«
»Ich weiß es nicht, Pen«, antwortete Kevin. »Ich muß jetzt weg. Wenn ich noch was höre, ruf’ ich dich wieder an, okay?«
»Okay. Du bist super, Kev.«
»Wir hören bald voneinander.«
Er legte auf. Penny schmetterte den Hörer auf die Gabel, lief zum Schlafzimmer und zog noch unterwegs den Morgenmantel aus. Fünf Minuten später rannte sie die Stufen der beiden Treppenabsätze von ihrer Wohnung zur Tiefgarage hinunter. Im Wagen schaute sie in ihrem Adreßbuch nach, fuhr dann los, und auf dem Weg überlegte sie, was sie sagen sollte, wenn sie vor der Tür stand.
Tony löste sich schnell aus der Umarmung, und sein Körper entzog sich dem ihrem mit einer Geste, die keinen Zweifel daran ließ, wie unangenehm ihm ihre Berührung war.
Carol versuchte der Sache einen unbefangenen Anstrich zu geben und die Peinlichkeit, die zwischen ihnen entstanden war, zu überbrücken. »Entschuldigen Sie, aber Sie sahen einfach so aus, als ob Sie eine tröstende Umarmung gebrauchen könnten«, sagte sie.
»Das ist schon in Ordnung«, erwiderte Tony steif. »Wir machen so was dauernd bei Gruppentherapien.«
Während sie weitergingen, fragte Carol: »Wann kann ich mir denn das Profil mal anschauen?«
Die Unterhaltung war wieder auf sicherem Boden, aber Carol, die sich bei ihm eingehakt hatte, war ihm immer noch zu nahe, um sich ganz wohl zu fühlen. Tony spürte die Anspannung in seinem Körper, eine kalte Hand, die seine Brust zusammendrückte. Er zwang sich, in normalem, ruhigem Ton zu sprechen. »Ich brauche noch ein paar Stunden, und ich werde mich als erstes morgen früh wieder damit beschäftigen. Am Nachmittag werde ich dann wohl einen Entwurf für Sie fertighaben. Fünfzehn Uhr, okay?«
»Sehr schön. Sagen Sie, würde es Ihnen was ausmachen, wenn ich dabei bin, während Sie arbeiten? Ich könnte endlich die Berichte und anderen Unterlagen zu Ende lesen. In der Scargill Street kriege ich nicht die Ruhe dazu.«
Tony sah sie zweifelnd an. »Nun, das geht wohl schon.«
»Ich verspreche, Sie nicht zu belästigen, Dr.Hill«, scherzte Carol.
»Verdammt schade«, erwiderte Tony und schnipste in gespielter Enttäuschung mit den Fingern. Schau an, dachte er zynisch, du benimmst dich tatsächlich wie ein ganz normaler Mensch, scheinst allen Situationen gewachsen zu sein. »Aber im Ernst, eigentlich bin ich es nicht gewohnt zu arbeiten, wenn noch jemand im Zimmer ist.«
»Sie werden gar nicht merken, daß ich da bin.«
»Daran habe ich ganz erhebliche Zweifel«, sagte Tony. Sie würde das als Kompliment werten können, aber er wußte die Wahrheit.
Penny drückte auf die Klingel des freistehenden Hauses im Pseudo-Tudorstil. Es lag in einer recht exklusiven Straße im Süden von Bradfield. Selbst beim Gehalt eines Superintendents hätte es außerhalb der finanziellen Möglichkeiten von Tom Cross liegen müssen, aber Popeyes sprichwörtliches Glück hatte sich vor einigen Jahren wieder einmal bewiesen, als er im Lotto eine fünfstellige Summe gewonnen hatte. Die Party, die er aus diesem Anlaß gegeben hatte, war in die Polizeigeschichte eingegangen. Jetzt aber sah es so aus, als ob die Glücksfee ihn im Stich gelassen hätte.
Im Flur ging Licht an, und jemand kam auf die Tür zu, was man durch das geriffelte Glas sah. Freitag der Dreizehnte fällt mit Halloween zusammen, murmelte Penny schwer atmend, als sich ein Schlüssel im Schloß drehte. Die Tür wurde vorsichtig einen Spalt geöffnet.
Penny legte den Kopf schief und sagte lächelnd: »Superintendent Cross, ich bin Penny Burgess von der
Sentinel Times«,
wobei sich der weiße Hauch ihres Atems mit dem Tabakrauch, der aus dem Türspalt drang, vermischte.
»Ich weiß, wer Sie sind«, knurrte Cross, und Penny hörte an der genuschelten Aussprache dieser wenigen Worte, daß er einige Drinks intus hatte. »Was zum Teufel wollen Sie zu dieser nachtschlafenden Zeit von mir?«
»Ich habe gehört, Sie hätten im Dienst einige Probleme.«
»Dann haben Sie falsch gehört, Ma’am. Und jetzt verschwinden Sie.«
»Morgen werden sich alle Medien damit beschäftigen. Man wird Sie regelrecht
Weitere Kostenlose Bücher