Das Lied der Sirenen
Kreuzigung als Form der Bestrafung wahrscheinlich von den Karthagern. (Interessant, nicht wahr, daß die Römer ihre Sitten und Gebräuche niemals von »barbarischen« Völkern übernahmen.) Die Römer führten die Kreuzigung jedenfalls etwa um die Zeit der Punischen Kriege ein, und sie war ursprünglich nur als Strafe für Sklaven vorgesehen. Diese Rolle erschien mir für Gareth nunmehr angemessen. Später wurde die Kreuzigung im Römischen Imperium zu einer allgemeineren Form der Bestrafung, angewendet bei allen Volksstämmen, die die Frechheit besaßen, sich unbotmäßig zu verhalten, nachdem die Römer sie doch so uneigennützig erobert – pardon, zivilisiert! – hatten.
Traditionsgemäß wurde der Verbrecher zunächst gegeißelt, dann gezwungen, das Kreuz durch die Straßen des Orts zum Richtplatz zu tragen, wo man einen hohen Pfahl in die Erde getrieben hatte. Dann nagelte man ihn auf das Kreuz und zog es mit einem an dem Pfahl verankerten Flaschenzugsystem hoch. Seine Füße wurden manchmal festgenagelt, manchmal aber auch nur am Längsbalken festgebunden. Gelegentlich halfen die Soldaten des Kreuzigungskommandos dem Tod durch Erschöpfung nach und brachen dem Opfer die Beine, was ihm das Eintauchen in eine gnadenreiche Bewußtlosigkeit erlaubt haben muß. Ich hingegen entschloß mich für das dekorativere X-förmige Sankt-Andreas-Kreuz, da ich es für meine Zwecke als besser geeignet erachtete. Zum einen würde es mehr Spannung in Gareth’ Muskeln erzeugen, zum anderen würde es mir, wenn er zum gewünschten Zeitpunkt eine Erektion bekommen sollte, den Zugang dazu wesentlich erleichtern.
Interessanterweise wurde die Kreuzigung als Strafe für Soldaten nur beim Verbrechen der Desertion angewendet. Die Römer hatten letztlich wohl doch die richtige Vorstellung von einer angemessenen Bestrafung.
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Aber wer war nun das Opfer, zu wessen Wohnsitz eilte er? Er würde doch nicht etwa so taktlos sein und auf der Suche nach einem zufälligen Mordopfer einen ungesteuerten Kurs verfolgen? O nein! Er hatte sich schon vor einiger Zeit ein passendes Opfer auserkoren, nämlich einen alten und sehr intimen Freund.
B randon starrte düster auf das Blatt Papier in der Schreibmaschine. Tom Cross mochte weit von Brandons Vorstellungen von einem perfekten Cop entfernt sein, aber er hatte sich doch stets als ein guter Verbrecherjäger erwiesen. Mätzchen wie die von heute führten nur dazu, daß man seine gesamte Karriere mit einem Fragezeichen versehen mußte. In wie vielen anderen Fällen hatte Cross Beweismaterial »zurechtgebogen«, ohne daß das jemand bemerkt hatte? Wenn Brandon nicht selbst gegen das Gesetz verstoßen und zusammen mit Tony die illegale Wohnungsdurchsuchung vorgenommen hätte, hätte niemand die Rechtmäßigkeit der »Beweise«, die Tom Cross beschafft hatte, angezweifelt. Niemand außer Stevie McConnell hätte gewußt, daß zwei der drei »Funde«, die Cross gemacht hatte, erst mit ihm in die Wohnung gelangt waren. Der bloße Gedanke daran ließ Brandon einen kalten Schauer über den Rücken laufen.
Cross hatte mit seinem Verhalten Brandon keine andere Möglichkeit gelassen als die, ihn vom Dienst zu suspendieren. Das Disziplinarverfahren, das zwangsweise folgen mußte, würde für alle Betroffenen qualvoll sein, aber das war Brandons geringste Sorge. Viel mehr Gedanken machte er sich über die Auswirkungen auf die Moral der Mitarbeiter bei der Mordkommission. Der Schaden konnte nur dadurch so klein wie möglich gehalten werden, indem er selbst die Verantwortung für die Untersuchung des Falls übernahm. Nun mußte er nur noch den Chief davon überzeugen, daß er, Brandon, mit dieser Beurteilung richtiglag. Mit einem Seufzer nahm er das Blatt aus der Maschine und spannte ein neues ein.
Sein Schreiben an den Chief Constable war kurz und sachlich. Jetzt war bloß noch eine Angelegenheit zu erledigen, bevor er endlich ins Bett gehen konnte. Seufzend schaute er auf die Uhr. Eine halbe Stunde vor Mitternacht. Er schob die Schreibmaschine zurück und schrieb auf einen Memo-Bogen: »An Detective Inspector Kevin Matthews. Von John Brandon, ACC . Betr.: Stevie McConnell. Nach der Suspendierung von Superintendent Cross werde ich die Leitung der Sonderkommission selbst übernehmen. Wir haben bis auf den Tatbestand des tätlichen Angriffs keine Beweise gegen McConnell, die für eine Anklage ausreichen. McConnell ist gegen Kaution bis zu der anhängigen Gerichtsverhandlung wegen tätlichen Angriffs
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