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Das Lied der Sirenen

Das Lied der Sirenen

Titel: Das Lied der Sirenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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auf freien Fuß zu setzen, mit der Auflage, sich binnen einer Woche in der Scargill Street zu melden, so daß wir ihn vernehmen können, wenn weitere Beweise auftauchen sollten. Im Hinblick auf seine Weigerung, uns Informationen über seine Kontakte zu geben und Namen von Leuten zu nennen, die er eventuell mit Gareth Finnegan und Adam Scott bekannt gemacht hat, sollten wir überwachen, mit wem er nach der Entlassung Kontakt aufnimmt. Darüber hinaus sollten wir eine richterliche Erlaubnis zur Überwachung seines Telefons erwirken, mit der Begründung, daß er Scott und Finnegan kannte und, wie wir inzwischen wissen, von Damien Connolly einmal einen Strafbefehl erhielt. Unsere Untersuchung der vier miteinander in Verbindung stehenden Morde sollte auf breiter Front weiter fortgeführt werden. Morgen um zwölf Uhr wird eine Besprechung mit den leitenden Beamten der Sonderkommission stattfinden.« Er unterschrieb den Mitteilungszettel und steckte ihn in einen Umschlag. So macht man sich Freunde und beeinflußt Leute, dachte er, als er die Treppe hinunter zum wachhabenden Sergeant ging. Brandon betete, daß Tony Hill mit seiner Beurteilung von Stevie McConnell richtiglag. Wenn Tom Cross mit seinem Instinkt recht behielt, würde mehr als nur die Moral der Mordkommission auf dem Spiel stehen.
     
    Carol saß am Eßtisch, hatte das Kinn auf die verschränkten Unterarme gestützt und kraulte mit den Fingern einer Hand Nelsons Bauch. »Was hältst du denn davon, mein Junge? Ist er auch wieder nur einer von diesen verdammten Lügnern?«
    »Prrrt«, antwortete Nelson mit ansteigender Intonation, die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen.
    »Ich dachte mir, daß du das sagen würdest. Ich stimme dir zu, ich kann nicht gut mit Männern umgehen«, seufzte Carol. »Und du hast recht, ich hätte auf Distanz bleiben müssen. Das hat man nun davon, wenn man was zu schnell angeht. Dann kommen die Rückschläge, und zwar normalerweise ja nicht einfach aus dem Nichts. Jetzt weiß ich wenigstens, warum er dauernd auf Distanz geblieben ist. Ich lass’ besser die Finger von ihm. Das Leben ist schon schwer genug, da sollte man nicht auch noch die zweite Geige spielen.«
    »Mrrr«, stimmte Nelson zu.
    »Er muß mich für total blöd halten, wenn er denkt, daß ich ihm glaube, eine völlig fremde Frau würde Nachrichten wie diese auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen.«
    »Rrraa«, meinte auch Nelson.
    »Okay, du findest also ebenfalls, das sei lächerlich. Aber dieser Mann ist Psychologe. Wenn er eine Ausrede dafür konstruieren wollte, daß er mich angelogen hatte, dann würde er es verdammt viel plausibler erklären können als mit Telefonanrufen von einer beknackten Fremden. Er hätte zum Beispiel nur zu sagen brauchen, es handle sich um jemanden, mit dem er Schluß gemacht habe, der das aber noch nicht wahrhaben wolle.« Carol rieb sich die müden Augen, gähnte und stand träge auf.
    Die Tür zu dem Abstellraum, den Michael als Arbeitszimmer benutzte, ging auf, und er erschien im Türrahmen. »Ich meinte, deine Stimme zu hören. Du kannst ruhig mit mir sprechen statt mit Nelson. Ich antworte dir wenigstens.«
    Carol lächelte ihn müde an. »Das macht Nelson auch. Es ist nicht sein Fehler, daß wir die Katzensprache nicht beherrschen. Ich habe gesehen, daß du noch beschäftigt bist, und wollte dich nicht stören.«
    Michael ging zum Bartisch und goß sich einen kleinen Scotch ein.
    »Ich habe unsere bisherige Arbeit nur noch mal durchgecheckt, ob irgendwo noch Ungereimtheiten drinstecken. Keine schwierige Sache. Wie war dein Tag?«
    »Frag mich besser nicht. Wir sind in die Scargill Street umgezogen. Ein Höllenloch, kann ich dir sagen. Stell dir vor, du müßtest deine Kalkulationen auf einem Abakus machen, dann kriegst du eine Ahnung von meinen derzeitigen Arbeitsbedingungen. Die Atmosphäre ist beschissen, und Tony Hill wird nicht so recht akzeptiert. Ansonsten ist alles wunderbar.« Carol folgte Michaels Beispiel und goß sich einen Drink ein.
    »Möchtest du darüber mit mir reden?« fragte er und setzte sich auf die Armlehne eines der Sofas.
    »Danke für das Angebot, aber nein.« Carol trank das Glas in einem Zug leer. »Übrigens, ich habe dir den Satz Fotos mitgebracht. Wann kannst du damit an die Arbeit gehen?«
    »Ich habe mir für morgen abend die Computerzeit mit der Software reservieren lassen. Reicht dir das?«
    Carol legte die Arme um ihn und drückte ihn an sich. »Danke, lieber Bruder.«
    »Ist mir ein Vergnügen.«

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