Das Lied der Sirenen
und möblierten Zimmer zogen, in denen wir untergeschlüpft waren. Wir waren immer mit den Mieten im Rückstand und setzten uns meistens bei Nacht und Nebel ab, ehe die Gerichtsvollzieher zu hartnäckig wurden.
Ich lernte die widerlichen, von Stöhnen begleiteten Kopulationen hassen, deren Zeuge ich fortlaufend wurde, und so hielt ich mich so oft wie möglich von zu Hause fern. Geschlafen habe ich oft draußen bei den Docks. Anderen Kindern, die jünger waren als ich, nahm ich ihr Geld ab, so daß ich mir etwas zu essen kaufen konnte. Ich wechselte die Schulen fast so häufig, wie wir die Wohnungen wechselten, und so machte ich mich nicht besonders gut als Schüler, obwohl ich wußte, daß ich die anderen Kinder alle leicht in die Tasche stecken konnte.
Sobald ich sechzehn war, ging ich von Seaford weg. Der Abschied fiel mir nicht schwer. Es war ja nicht so, daß ich mich bei unserem dauernden Wohnungswechsel mit vielen anderen Kindern hätte anfreunden können. Ich hatte genug von Männern gesehen, um mir klar darüber zu sein, daß ich nicht so werden wollte wie sie, und in meinem Inneren fühlte ich auch irgendwie nicht wie ein Mann. Ich glaubte, daß ich, wenn ich wieder in eine große Stadt wie Bradfield ziehen würde, leichter herausfinden könnte, was ich eigentlich wollte. Ein Cousin meiner Mutter verschaffte mir einen Job bei der Elektronikfirma, bei der er arbeitete.
Etwa um diese Zeit entdeckte ich, daß ich mich gut fühlte und mit mir im reinen war, wenn ich Frauenkleider anzog. Ich hatte ein möbliertes Zimmer gemietet und konnte das tun, wann immer ich wollte, und es führte stets zu einer tiefen inneren Ruhe bei mir. Ich begann an der Abendschule Kurse über Informatik zu belegen und brachte es schließlich zu einigen hochwertigen Abschlüssen. Und dann erbte meine Mutter von ihrem verstorbenen Bruder ein Haus in Seaford.
Ich bekam einen Job in Seaford, und zwar als Mitarbeiter am Computersystem der örtlichen privaten Telefongesellschaft. Ich wollte eigentlich nicht wieder dorthin zurück, aber die Stelle war zu gut. Ich ging nicht ein einziges Mal zu meiner Mutter. Ich glaube nicht, daß sie überhaupt wußte, daß ich wieder in der Stadt war.
Einer der wenigen Vorzüge Seafords ist es, daß von dort die Fähre nach Holland verkehrt. Ich benutzte sie jedes zweite Wochenende, weil ich in Amsterdam als Frau gekleidet herumlaufen konnte, ohne daß auch nur jemand die Augenbrauen hob. In dieser Stadt traf ich viele Transvestiten und Transsexuelle, und je mehr ich mich mit ihnen unterhielt, um so klarer wurde mir, daß ich so war wie sie. Ich war eine Frau, gefangen im Körper eines Mannes. Das erklärte auch, warum ich nie viel Interesse an Mädchen entwickelt hatte. Und obwohl ich mich zu Männern hingezogen fühlte, ich war keinesfalls ein Schwuler. Sie ekeln mich an, diese Männer, die normale Beziehungen verachten, weiß doch jedermann, daß nur Männer und Frauen wirklich zusammenpassen.
Ich ging zu den Ärzten in der Spezialklinik in Leeds, an der alle Geschlechtsumwandlungen im Norden durchgeführt werden, und sie wiesen mich ab. Die Psychologen dort waren so dumm und einseitig wie ihre gesamte Zunft. Doch in London fand ich einen Privatarzt, der mir zumindest die Hormonbehandlung verschrieb, die ich brauchte. Natürlich konnte ich während dieser Zeit nicht arbeiten, aber ich sprach mit meinem Boß, und er sagte, er werde mich für eine andere Arbeit empfehlen, wenn ich die Operation hinter mir habe und eine Frau sei.
Zu der Operation mußte ich ins Ausland gehen, und die ganze Sache war viel teurer, als ich gedacht hatte. Ich wandte mich an meine Mutter und fragte sie, ob sie eine Hypothek auf das Haus aufnehmen und mir das Geld leihen könne, aber sie lachte mich nur aus.
Daraufhin tat ich das, was ich von ihr gelernt hatte – ich verkaufte mich in den Docks. Es ist erstaunlich, wieviel Geld Seemänner für einen Travesti zahlen. Sie geraten vor Aufregung völlig aus dem Häuschen, wenn sie jemanden treffen, der Brüste und einen Schwanz hat. Und ich war auch sonst nicht wie die anderen Nutten, ich warf nicht alles für Alkohol oder Drogen oder für einen Zuhälter zum Fenster raus. Ich legte mein Geld zur Seite, bis ich mir die Operation leisten konnte.
Als ich nach Seaford zurückkam, erkannte mich nicht einmal meine Mutter wieder. Ein paar Tage nach meiner Rückkehr nahm sie eine Überdosis aus Alkohol und Pillen. Niemand war überrascht. Ja, Doktor, Sie können sie der Liste
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