Das Lied der Sirenen
jemand kümmern müßte, wenn ich verreist bin. Ich bin der einzige, der Schlüssel zum Haus und zum Wagen hat.«
»Sind Sie ganz sicher? Keine Putzfrau, kein Kollege, der kurz mal reinschaut und Ihren Computer benutzt?«
»Natürlich bin ich sicher. Ich putze das Haus selbst, ich arbeite allein, ich habe mich vor ein paar Monaten von meiner Freundin getrennt und danach die Schlösser auswechseln lassen, okay? Niemand außer mir hat Schlüssel.« Cozier klang jetzt gereizt.
Carol hakte dennoch nach. »Und keiner könnte sich ohne Ihr Wissen die Schlüssel besorgt und sich Nachschlüssel angefertigt haben?«
»Ich wüßte nicht, wie. Ich habe nicht die Angewohnheit, sie rumliegen zu lassen. Und die Versicherung für den Wagen ist nur für mich abgeschlossen, also hat niemand sonst ihn irgendwann gefahren.« Er wurde immer gereizter. »Hören Sie, wenn jemand was Kriminelles mit einem Wagen angestellt hat, der mein Nummernschild hatte, dann war dieses Nummernschild gefälscht, okay?«
»Danke, Mr.Crozier. Ich versichere Ihnen, wenn die Informationen, die Sie uns gegeben haben, der Überprüfung standhalten, werden Sie nichts mehr von uns hören. Und nochmals vielen Dank für die Zeit, die Sie uns geopfert haben.«
Als sie wieder im Wagen saßen, sagte Carol: »Halten Sie an der nächsten Telefonzelle. Vielleicht erreiche ich nun Dr.Hill. Ich kann nicht glauben, daß er ausgerechnet jetzt, da wir ihn nun wirklich brauchen, fahnenflüchtig geworden ist.«
[home]
Auf 3 ½-Zoll-Diskette, Beschriftung: Backup. 007 ;
Datei Love 018 .doc
Es ist lächerlich. Sie suchen sich einen Mann aus, der nicht einmal feststellen kann, ob ich es war, der eine bestimmte Strafaktion gegen einen Verräter ausgeführt hat oder ein anderer, und sie heuern ihn an, um ihnen bei der Jagd nach mir zu helfen. Sie hätten mir wenigstens den Respekt erweisen können, einen Psychologen mit einiger Reputation hinzuzuziehen, mir einen Gegner gegenüberzustellen, welcher meiner Fähigkeiten würdig ist, nicht irgendeinen Dummkopf, der es noch nie mit jemandem von meinem Kaliber zu tun hatte.
Statt dessen beleidigen sie mich. Dr.Tony Hill soll ein psychologisches Profil von mir erstellen, basierend auf der Analyse meiner Morde. Wenn dieser mein Bericht veröffentlicht wird, in vielen Jahren, nach meinem Tod in meinem Bett aufgrund natürlicher Umstände, werden die Historiker dieses Profil mit der Realität vergleichen und über die plumpen Unzulänglichkeiten seiner Pseudowissenschaft lachen.
Dr.Tony Hill wird der Wahrheit niemals nahe kommen. Zur Dokumentation stelle ich sie nachfolgend dar.
Ich wurde in der Stadt Seaford in Yorkshire geboren, die einen der geschäftigsten Fischerei- und Handelshäfen unseres Landes besitzt. Mein Vater war Seemann bei der Handelsmarine, Erster Offizier auf einem Öltanker. Er fuhr zu allen Häfen dieser Welt und kam nur selten zu uns nach Hause. Meine Mutter war eine ebenso schlechte Hausfrau wie Mutter. Ich sehe jetzt noch vor mir, wie das Haus ständig in einem chaotischen Zustand war, und die Mahlzeiten kamen unregelmäßig und unappetitlich auf den Tisch. Nur im Trinken war sie gut, und der Alkohol war auch das einzige, was meine Eltern miteinander verband. Wenn es einen olympischen Wettbewerb für Säuferehepaare gäbe, wären sie bestimmt mit der Goldmedaille ausgezeichnet worden.
Als ich sieben war, kam mein Vater gar nicht mehr nach Hause. Meine Mutter warf mir ständig vor, ich sei kein guter Sohn, und so behauptete sie dann auch, ich habe meinen Vater aus dem Haus vertrieben. Und sie sagte, daß ich jetzt der Mann im Haus sein müsse. Aber ich konnte es ihr nie recht machen. Sie verlangte mehr von mir, als ich zu leisten vermochte, und sie erzog mich weitaus mehr durch Strafen als durch Lob. Ich habe mehr Zeit eingesperrt im Kleiderschrank verbracht als der Mantel so mancher Leute.
Ohne meines Vaters monatlichem Scheck war sie auf die Sozialfürsorge angewiesen, was kaum zum Leben reichte, vom erforderlichen Alkoholnachschub gar nicht zu reden. Als die Wohnbaugesellschaft uns das Haus kündigte, zogen wir für einige Zeit nach Bradfield zu Verwandten, aber meine Mutter konnte deren Vorwürfe wegen ihres Lebenswandels nicht ertragen. Also kehrten wir nach Seaford zurück, wo sie sich dem anderen florierenden Geschäftszweig der Stadt zuwandte – der Prostitution. Ich mußte mich an die Prozession ekelhafter, betrunkener Seeleute gewöhnen, die durch die schnell wechselnden dreckigen Wohnungen
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