Das Lied der Sirenen
Anzeichen dafür feststellen, daß jemand im Haus war. Eine Sache hat sie besonders erstaunt. Sein Wagen war auf der Straße abgestellt, und das tut er normalerweise nicht. Ich brauche es Ihnen ja nicht zu sagen, daß er auf sein Auto wie auf Kronjuwelen aufpaßt.«
Bonner runzelte die Stirn. »Vielleicht hat jemand bei ihm übernachtet? Ein Verwandter, eine Freundin? Vielleicht hat er oder sie seinen beziehungsweise ihren Wagen in der Garage abgestellt.«
Der Wachhabende der Einsatzzentrale schüttelte den Kopf.
»Nein. Die Jungs haben durchs Garagenfenster reingucken können, sie war leer. Und vergessen Sie die Milch nicht.«
Bonner hob ratlos die Schultern. »Jetzt können wir kaum noch was tun, oder?«
»Nun, er ist über einundzwanzig. Ich hätte nicht gedacht, daß er sich mal auf die Vermißtenliste setzen läßt, aber Sie wissen ja, was man über die stillen Wasser sagt.«
Bonner seufzte. »Wenn er wieder auftaucht, reiß ich ihm die Därme aus. Übrigens, ich habe Joey Smith gebeten, ihn im Lageraum zu vertreten.«
»Wirklich, Sie wissen, wie man mir den Tag verderben kann!« erwiderte er, mit den Augen rollend. »Hätten Sie nicht einen von den anderen dafür nehmen können? Smith kommt doch kaum mit dem Alphabet zurecht.«
Ehe Bonner eine Erklärung für ihre Personenauswahl geben konnte, klopfte es an der Tür. »Ja?« rief sie. »Herein!«
Ein weiblicher Constable vom Lagezentrum kam zögernd ins Zimmer. Sie sah aus, als ob ihr übel wäre. »Skip«, sagte sie, und schon aus diesem einen Wort, der üblichen Anrede für den Sergeant vom Dienst, konnte man ihre Besorgnis heraushören, »ich denke, Sie sollten sich das mal ansehen.« Sie hielt Bonner ein Fax hin, dessen unteres Ende zerfranst war, weil man es zu hastig von der Rolle abgerissen hatte.
Der Mann von der Einsatzzentrale stand näher bei ihr, nahm ihr das dünne Papier aus der Hand und warf einen Blick darauf. Er atmete scharf ein und schloß dann für eine Sekunde die Augen. Wortlos gab er das Fax an Sergeant Bonner weiter.
Als erstes fiel ihr Blick auf das Schwarzweißfoto. Für einen kurzen Moment versuchte ihr Geist, sie automatisch vor dem Entsetzen zu schützen, und suggerierte ihr die Frage, warum jemand über ihren Kopf hinweg Connolly als vermißt gemeldet hatte. Dann erfaßten ihre Augen den Text und wandelten ihn in Worte um. »Dringend. An alle Polizeistationen. Dieses Foto zeigt das bisher noch nicht identifizierte Mordopfer, das gestern nachmittag im Hinterhof der Bar Queen of Hearts in Temple Fields, Bradfield, aufgefunden wurde. Fotografie im Original folgt heute nachmittag. Bitte zunächst dieses Foto in den Stationen umlaufen lassen und am Schwarzen Brett aushängen. Hinweise bitte an Detective Inspector Kevin Matthews im Lagezentrum Scargill Street, Apparat 2456 .«
Sergeant Bonner schaute die beiden anderen mit leerem Blick an.
»Es gibt keinen Zweifel, oder?«
Die junge Frau sah zu Boden, und ihr Gesicht war bleich und glänzte feucht. »Ich glaube nicht, Skip«, antwortete sie. »Das ist Connolly. Ich meine, man kann es nicht eine absolute Ähnlichkeit nennen, aber es ist zweifellos Connolly.«
Der Wachhabende von der Einsatzzentrale nahm das Fax an sich.
»Ich rufe sofort Inspector Matthews an«, sagte er.
Sergeant Bonner schob ihren Stuhl zurück und stand auf. »Ich mache mich wohl am besten sofort auf den Weg zum Leichenschauhaus. Sie brauchen so schnell wie möglich eine formelle Identifizierung.«
»Jetzt wird ein ganz neues Spiel daraus«, erklärte Tony mit düsterem Gesicht.
»Es erhöht auf jeden Fall die Einsatzfreude unserer Leute«, sagte Carol.
»Die wichtigste Frage, die ich mir stelle, ist die, ob Handy Andy wußte, daß er uns einen Bobby als Opfer präsentiert.« Tony drehte sich auf seinem Stuhl zur Seite und schaute aus dem Fenster auf die Dächer der Stadt.
»Wie bitte? Entschuldigung …«
Er lächelte verlegen. »Nein, ich muß mich entschuldigen«, sagte er. »Ich gebe ihnen immer einen Namen. Es macht die Sache persönlicher.« Er drehte sich wieder zurück und sah Carol an.
»Stört Sie das sehr?«
Carol schüttelte den Kopf. »Immer noch besser als der Name, den sie ihm in unsere Zentrale gegeben haben.«
»Und der ist?« fragte Tony und hob die Augenbrauen.
»Der Schwulenkiller«, antwortete Carol, und man hörte ihr an, daß sie diesen Namen nicht mochte.
»Das fordert eine Menge Fragen heraus«, sagte Tony unverbindlich. »Aber wenn es den Leuten hilft, besser
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