Das Lied der Sirenen
Mördern verdienen, freundlicherweise ausführliche Leitfäden über Einzelheiten ihres Vorgehens geschrieben haben. Über das Versagen dieser Leute hören wir jedoch kaum einmal etwas. Ich bin sicher, daß ich niemals in einem dieser Verzeichnisse der Inkompetenz erscheinen werde. Ich habe zu sorgfältig geplant, jedes Risiko auf ein Minimum reduziert und gegen die damit verbundenen Vorteile aufgewogen. Der einzige Nachweis meiner Tätigkeit wird dieses Computer-Tagebuch sein, und es wird mit keiner Druckertinte in Berührung kommen, ehe mein letzter Atemzug nur noch eine ferne Erinnerung ist. Das einzige, was ich bedauere, ist, daß ich nicht mehr da sein werde, um die Berichte in den Medien sehen und lesen zu können.
Um vier Uhr war ich wieder zurück auf meinem Posten, obwohl ich noch nie festgestellt hatte, daß Adam vor vier Uhr fünfundvierzig seinen Arbeitsplatz verließ. Ich saß am Woolmarket Square am Fenster eines Burger King, genau richtig, um die Einmündung der Gasse im Auge zu behalten, die zu seinem Bürogebäude führte. Wie aufs Stichwort tauchte er um vier Uhr siebenundvierzig auf und eilte zur Straßenbahnhaltestelle. Ich gesellte mich zu den Wartenden auf der erhöhten Plattform, und ich lächelte vor mich hin, als ich in der Ferne das Klingeln der Straßenbahn hörte. Genieße deine Bahnfahrt, Adam. Es wird deine letzte sein.
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4
Es ist eine Tatsache, ich »hatte Lust auf ihn«, und ich entschied mich dazu, an seiner Kehle zu beginnen.
A ls Damien Connolly nicht zu seiner Schicht in der Informationszentrale der Polizeistation im Süden der Stadt erschien, war der leitende Sergeant vom Dienst – in diesem Fall ein weiblicher Sergeant – nicht besonders beunruhigt. Connolly war einer der fähigsten Beamten der Stadtpolizei, was das Sammeln und Aufbereiten polizeirelevanter Daten im Lagezentrum betraf, und hatte obendrein eine Sonderausbildung am Computersystem HOLMES , aber er war ein notorisch unpünktlicher Mensch. Mindestens zweimal in der Woche kam er zehn Minuten nach Schichtbeginn durch die Tür der Station gestürmt. Als er jedoch eine halbe Stunde nach Dienstbeginn immer noch nicht aufgetaucht war, ärgerte sich Sergeant Claire Bonner dann doch ein wenig. Man konnte wohl erwarten, daß Connolly wenigstens anrief, wenn er mehr als eine Viertelstunde zu spät dran war. Und das ganz besonders heute, da die Zentrale angeordnet hatte, daß wegen der Ermittlungen gegen den Serienmörder alle HOLMES -Fachleute anwesend zu sein hatten.
Seufzend suchte Sergeant Bonner Connollys Privatnummer in den Unterlagen und tippte sie ein. Das Telefon am anderen Ende läutete und läutete, bis die Verbindung schließlich automatisch abgebrochen wurde. Jetzt begann sie langsam, sich Sorgen zu machen. In seinem Privatleben war Connolly ein Einzelgänger. Er war, was Bonner angenehm fand, stiller und wahrscheinlich auch nachdenklicher als die meisten der übrigen Constables, und selbst bei den kleinen Feiern im Büro blieb er stets reserviert den anderen gegenüber. Soweit sie wußte, gab es keine Freundin, in deren Bett Connolly womöglich verschlafen hatte. Seine Familienangehörigen lebten alle in Glasgow, also konnte man es nicht bei irgendwelchen Verwandten hier in Bradfield versuchen. Bonner überlegte, wann sie Connolly zum letztenmal gesehen hatte. Gestern hatten sie tagsüber frei gehabt. Als sie die davorliegende Nachtschicht beendet hatten, war Connolly, zusammen mit einem halben Dutzend andere Constables, noch mit zum Frühstück in ihre Stammkneipe gegangen. Er hatte nichts davon gesagt, daß er besondere Pläne für den Tag habe, sondern nur, daß er sich ausschlafen und dann an seinem Wagen arbeiten wolle, einem älteren Austin Healey Roadster.
Sergeant Bonner ging hinüber zum Einsatzraum und sprach mit dem dortigen Wachhabenden. Sie bat ihn, einen Streifenwagen zu Connollys Haus zu schicken und nachzusehen, ob er vielleicht krank oder irgendwie verletzt sei. »Sie sollen auf jeden Fall seine Garage überprüfen. Vielleicht hat er seine verdammte Karre aufgebockt, sie ist runtergestürzt, und er liegt jetzt drunter.« Dann kehrte sie zu ihrem Schreibtisch zurück.
Kurz nach acht kam der Wachhabende der Einsatzzentrale zu ihr.
»Die Jungs haben Connollys Haus überprüft. Da war keine Reaktion auf ihr Klingeln an der Haustür. Sie schauten sich rund ums Haus um und sahen, daß alle Vorhänge zurückgezogen waren. Die Milchflasche stand noch auf der Treppe. Sie konnten keine
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