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Das Lied der Sirenen

Das Lied der Sirenen

Titel: Das Lied der Sirenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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platschte auf den Boden und bildete schnell eine größere Lache unter dem Stuhl.
    Ich paßte meine rhythmischen Bewegungen den seinen an und spürte, daß meine Muskeln genauso zitterten wie seine, als meine Hand mich dem Höhepunkt zutrieb. Als ich explodierte, bog sich mein Körper synchron zu seinem, mein lustvolles Stöhnen fand seinen Widerhall in seinen letzten qualvollen, winselnden Schreien, ehe er in Ohnmacht fiel.
    Ich muß zugeben, daß ich überrascht war, wieviel Lust ich aus Pauls Bestrafung gewonnen hatte. Vielleicht war das so, weil er eine Bestrafung noch mehr als Adam verdient hatte, vielleicht, weil ich anfangs so hohe Erwartungen in ihn gesetzt hatte, oder einfach auch nur, weil ich besser bei dem wurde, was ich tun mußte. Welches auch immer die Gründe waren, meine zweite Exkursion in den Mord hinterließ bei mir das Gefühl, daß ich schließlich und endlich meine wahre Berufung gefunden hatte.

[home]
9
    Wir trocknen unsere Tränen und … entdecken, daß eine Handlung, die, moralisch betrachtet, schockierend und unerklärlich erschien, unter dem Gesichtspunkt des künstlerischen Geschmacks letztlich eine höchst verdienstvolle Leistung darstellt.
    O kay, Handy Andy, jetzt geht’s los«, sagte Tony zu dem leeren Bildschirm seines Computers. Nachdem Carol ihn nach Hause gebracht hatte, war er die Treppe hinaufgestolpert, hatte die Schuhe von den Füßen geschleudert, seine gesteppte Baseballjacke ausgezogen und einfach fallen lassen. Er war schnell noch auf die Toilette gegangen und dann ins Bett gekrochen. Er hatte so tief geschlafen wie seit Monaten nicht mehr. Als er aufgewacht war, war es schon kurz nach zwölf Uhr mittags gewesen. Aber zum erstenmal spürte er nicht, wie in den letzten Tagen, ein Schuldgefühl wegen der Arbeit, die er hätte erledigen müssen. Er war frisch, tatendurstig, ja sogar in Hochstimmung. Die Durchsuchung von Stevie McConnells Haus hatte ihm bestätigt, daß er im Griff hatte, was er tat. Er hatte mit absoluter Klarheit erkannt, daß Handy Andy nicht so wohnte. Und obwohl es etwas war, das er niemandem außerhalb des kleinen Kreises von Kollegen, die sich wie er mit der Erstellung von Verbrecherprofilen beschäftigten, eingestehen würde – es war ein echter Adrenalinstoß für ihn, als er sich sagen konnte, daß er wahrscheinlich den Weg in Handy Andys Kopf fand und einem Pfad durch das quälende Labyrinth seiner abseitigen Logik zu folgen imstande sein würde. Jetzt mußte er nur noch den Schlüssel zum Eingang finden.
    In seinem Büro stürzte Tony sich auf die restlichen Stapel der Dokumente, las sie durch und machte sich fortwährend Notizen. Dann ließ er die Rollos herunter und sagte seiner Sekretärin, sie solle keine Telefonanrufe zu ihm durchstellen. Er schob seinen Stuhl um den Schreibtisch herum, so daß er dem für Besucher gegenüberstand. Auf den Schreibtisch stellte er in Reichweite den Kassettenrecorder, ließ ihn aber noch ausgeschaltet. Anschließend trat er zur Tür und schaute sich prüfend das Zimmer an. Ein Gedicht, das er einmal gelesen hatte, ging ihm durch den Kopf. Es handelte von einem Pfad durch einen Wald, der sich an einer bestimmten Stelle teilte, und wie wichtig es war, die weniger benutzte Abzweigung zu wählen. Solange er zurückdenken konnte, hatte seine Faszination ihn immer den weniger benutzten Pfad wählen lassen. Es war der Weg, den seine Patienten einschlugen, der dunkle Pfad, der ins Unterholz führt, weg von den Sonnentupfen des breiten, ausgetretenen Pfades. »Ich muß verstehen lernen, warum du diesen dunklen Pfad gewählt hast, Andy«, murmelte Tony. »Das muß ich herausfinden. Verstehst du, ich weiß, was mich zu diesem dunklen Pfad hinzieht. Aber ich bin nicht wie du. Ich kann zurückgehen, wenn ich das will. Ich kann jederzeit zu dem sonnigen Weg zurückkehren. Ich muß nicht im Dunkeln weitergehen; ich suche hier nur nach deinen Fußspuren. Zumindest behaupte ich das in der Öffentlichkeit.
    Aber wir beide kennen die Wahrheit, oder nicht? Du kannst dich vor mir nicht verstecken, Handy Andy«, sagte er leise, »denn ich bin letztlich doch wie du, verstehst du? Ich bin dein Spiegelbild. Ich bin der Wilderer, der zum Wildhüter geworden ist. Ich wäre du, wenn ich nicht Jagd auf dich machen würde. Ich bin hier und warte auf dich. Auf das Ende der Jagd.« Er blieb noch einen Moment stehen, das Eingeständnis genießend, das er sich selbst gegenüber gemacht hatte.
    Schließlich setzte er sich auf seinen Stuhl,

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