Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)
waren einige.«
»Die Bellamys haben also Kinder?« Angesichts des Briefpapiers hatte Marie eher an ein älteres Ehepaar gedacht.
»Natürlich, einen Sohn und eine Tochter«, antwortete James. »Beide werden natürlich von Privatlehrern unterrichtet und sollen eines Tages an einer renommierten Universität studieren.«
»Als ob man das mit einer Schule wie der unsrigen nicht könnte!«, bemerkte Allison aufgebracht.
Auf einmal polterten Schritte die Treppe hoch. Philipp war zurück! Maries Herz machte einen freudigen Satz, wie immer, wenn sie ihn irgendwo sah. Doch angesichts dessen, was Allison ihr soeben mitgeteilt hatte, war es wohl besser, wenn sie ihm nichts von der Einladung sagte. Womöglich glaubte er noch, sie würde ab sofort die Nase zu hoch tragen, um sich noch mit ihm abzugeben.
Als er eintrat, trafen sich ihre Blicke sogleich, und Carter erwiderte ihr Lächeln. Für einen Moment schien es Marie, als seien sie ganz allein im Zimmer.
»Nun, Mr Carter, was haben Sie erreicht?«, verscheuchte Isbels Stimme diese Illusion.
»Die Bänke werden in einer Woche geliefert, und zwar so, wie Sie sie haben wollen«, antwortete Philipp, der nun endlich den Blick von Marie abwenden konnte. »Es hat ein Weilchen gedauert, dem Schreiner alles zu erklären, aber er scheint sein Handwerk zu verstehen.«
»Das habe ich auch nicht anders erwartet. Setzen Sie sich, wir haben Ihnen noch ein paar Scones übrig gelassen.«
Während er sich aus seiner Jacke schälte, wanderte Carters Blick immer wieder zu Marie. Diese versuchte, gelassen zu bleiben, doch als würde sie von einem Magnet angezogen, schaute sie immer wieder zu ihm hin und errötete, als sie sein Lächeln bemerkte.
Was ist nur mit mir los?, fragte sie sich. Ich benehme mich ja schlimmer als damals …
Auf einmal schlug die Uhr im Wohnzimmer der Isbels sechs. Marie zuckte zusammen. Beinahe hätte sie vergessen, dass sie heute noch eine Verabredung hatte. Eine Verabredung, bei der sie großen Ärger bekommen konnte, wenn sie sie versäumte. »Tut mir leid, ich muss gehen. Heute ist die letzte Anprobe.«
Philipp sah sie bedauernd an. »Anprobe für was?«
»Mein Kleid. Stella hat die Schneiderin für fünf Uhr bestellt, wahrscheinlich ist sie mit Rose schon fertig.«
»Unsere Miss Blumfeld ist von den Bellamys eingeladen worden«, brachte James Isbel ihr Geheimnis zum Vorschein und zwinkerte ihr zu. »Zu solch einem Fest braucht man wirklich neue Kleider, um nicht für einen Dienstboten gehalten zu werden.«
Philipp, der den Scherz mit einem Lächeln quittierte, schien nicht sonderlich beeindruckt. »Wirklich? Was ist schon dran an einer Tanzveranstaltung?«
»Es ist hier wohl so was wie der Ball des Jahres«, gab Marie verlegen zurück. »Rose hatte schon befürchtet, dass ihre Mutter absagen würde, aber jetzt macht Stella mehr Theater darum als sie. Wenn die Schneiderin geht, ohne dass ich das Kleid anprobiert habe, werden sie wohl alle tödlich beleidigt sein.«
»Ich glaube kaum – wer kann Ihnen schon böse sein?« Philipps Zwinkern jagte ihr ein Feuer durch die Adern.
Insgeheim ärgerte sie sich nun, nicht früher gegangen zu sein. Dann würde sie es jetzt nicht bereuen, fortgehen zu müssen und die Gesellschaft Philipps zu verpassen. Sicher hatte er noch eine gute Geschichte zur Schreinerei im Ärmel, wie man hier sagte.
»Dann bis morgen, Miss Blumfeld!«, verabschiedete er sich fröhlich von ihr.
Erst jetzt wurde ihr klar, dass die Isbels auch immer noch da waren. Allison lächelte sie verschmitzt an. Hatte sie ihre Verwirrung bemerkt?
»Ja, und morgen erzählen Sie uns alles über diese Anprobe und Ihr Kleid. Wahrscheinlich werden Sie damit in unsere kleine Zeitung kommen.«
Marie schüttelte verlegen den Kopf. »Das will ich überhaupt nicht. Ich werde wahrscheinlich froh sein, wenn es vorüber ist.«
Noch einmal lächelte sie in die Runde, dann ging sie zur Tür.
Während des Heimweges konnte Marie nur an eines denken: Philipp Carters traurigen Blick, als sie angekündigt hatte, dass sie jetzt gehen müsse. War es ihm wirklich wichtig, dass sie blieb? Für einen Moment war sie versucht, den Rummel um den Ball zu verfluchen, der sie um eine amüsante Stunde gebracht hatte. Doch dann rief sie sich zur Ordnung. Du bist immer noch mit Jeremy verlobt, Marie! Es steht dir nicht zu, einem anderen schöne Augen zu machen.
Als sie eine halbe Stunde später Stellas Salon betrat, betrachtete sich Rose gerade im Spiegel. Das pflaumenfarbene
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