Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
Vom Netzwerk:
bedankte und sein Lächeln erwiderte.
    Von nun an sahen der neue Lehrer und ich uns mindestens einmal in der Woche in der Laube, unentdeckt von den anderen Lehrerinnen und Schülern. Während ich Peter schrieb, beobachtete mich Zenker über den Rand seines Buches hinweg. So sehr seine Blicke mich auch beunruhigten, so sehr genoss ich sie, war es doch das erste Mal, dass ein Mann mir dermaßen viel Aufmerksamkeit schenkte. In meinen Briefen schrieb ich nichts davon, doch in meinen Träumen tauchten immer wieder Dinge auf, für die ich mich schämen würde, spräche ich sie laut aus.
    Insgeheim wünschte ich mir, er würde mir näherkommen, doch es blieb immer nur bei den Blicken, was mich beinahe wahnsinnig machte. Dennoch ging ich Tag für Tag in die Laube, genoss seine Nähe und war froh darüber, dass er meine Gedanken nicht kannte.
    An einem Sonntagmorgen in aller Frühe beschloss ich, vor dem Gottesdienst noch einmal in die Laube zu gehen und Peter zu schreiben. Ich glaubte zu platzen, wenn ich nicht endlich jemandem von meiner heimlichen Liebe erzählte.
    Die Geräusche, die aus der Ferne durch die morgendliche Stille drangen, hätten mich eigentlich warnen sollen, doch unerfahren wie ich war, hielt ich sie für die Rufe von Morgenvögeln oder Füchsen, die sich hin und wieder im Park zeigten. Erst als ich der Laube ganz nahe war, kam mir eine Ahnung. In diesem Augenblick hätte ich fortlaufen sollen, doch die Laute zogen mich magisch an. Es war wie damals, als ich Vater mit Luise gesehen hatte. An der Laube angekommen blieb ich stehen und blickte wie betäubt auf den nackten Körper eines Mannes, der in Hüfthöhe von zarten Frauenschenkeln umschlungen wurde. Zenker. Zenker und …
    Entsetzt schlug ich die Hand vor den Mund, als ich neben seiner nackten Schulter Charlottes schweißbedecktes Gesicht sah. Die Augen halb geschlossen, den Mund leicht geöffnet klammerte sie sich an Zenkers Schultern und schien seine Bewegungen aufs Höchste zu genießen.
    Für einen Moment schien jegliches Gefühl aus meinen Gliedmaßen zu weichen. Zenker, meine heimliche Liebe, hatte ein Stelldichein mit Charlotte aus der Prima! Als das Gefühl in meine Beine zurückkehrte, taumelte ich zurück. Noch immer bemerkten mich die beiden nicht, nur ihr Stöhnen und Keuchen wurde immer lauter.
    Wie ich schließlich zum Internat zurückkam, ist mir bis heute ein Rätsel. Keuchend blieb ich auf den Stufen zum Haupteingang sitzen und hielt mich mit einer Hand am Geländer fest. Das Briefpapier samt dem Schreibetui lag zu meinen Füßen.
    »Guten Morgen!«, ertönte die Stimme des Hausverwalters hinter mir. »Ist Ihnen nicht gut, Mädchen?«
    Ich schüttelte den Kopf. Mir war ganz und gar nicht gut. Wut und Enttäuschung brannten in meiner Brust. Am liebsten hätte ich um mich geschlagen, doch ich fand nicht einmal die Kraft, die Arme zu heben.
    Irgendwann wurde ich aufgehoben und auf mein Zimmer gebracht. In der Meinung, dass ich mich erkältet hätte, erlaubte mir die Schulleiterin, ein paar Tage dem Unterricht fernzubleiben. Doch es waren keine körperlichen Beschwerden, die mich plagten. Ich konnte einfach nicht fassen, dass Zenker mir schöne Augen machte und dann mit Charlotte Unzucht trieb. Alles in mir schrie, dass er bestraft werden müsse, aber ich wusste genau, dass ich es nicht über mich bringen würde, ihn zu verraten.

31. Kapitel

    Erst spät kehrten Stella und Rose von dem Ball zurück. Marie, die mit offenen Augen an die Zimmerdecke starrte, vernahm Türenschlagen und Schritte.
    Werden sie mich aus dem Bett zerren und fragen, was los war?, fragte sie sich. Oder sind sie zu betrunken dazu?
    Nach dem Gespräch hatte Philipp darauf bestanden, sie nach Hause zu begleiten. Schweigend waren sie durch die stillen Straßen gegangen, während der Wind den fernen Lärm des Balls zu ihnen trug.
    Vor der Tür hatte er sich dann ganz artig verabschiedet und ihr eine gute Nacht gewünscht. Marie jedoch hatte schon in dem Augenblick, als er ihr den Rücken zukehrte, das Verlangen gehabt, ihm nachzulaufen und in der Schule zu übernachten. Doch das war unmöglich. Ohnehin würde sie schon Ärger dafür bekommen, dass sie sich aus dem Ballsaal entfernt hatte, ohne jemandem Bescheid zu geben.
    Da die Schritte schließlich verklangen und Ruhe einkehrte, schloss Marie die Augen. Philipps Worte tönten wie Donnerhall durch ihren Verstand. Wann wird es für mich so weit sein?, dachte sie beklommen. So habe ich mir den Beginn meines neuen Lebens

Weitere Kostenlose Bücher