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Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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ihm nachsah, fragte sie sich, welche schlechten Erfahrungen er wohl mit Geistlichen gemacht haben könnte. Auch ohne ihn zu kennen, spürte sie deutlich, dass ein Schatten auf seiner Seele lag.
    Mit dem Gefühl, dass jemand sie beobachtete, wandte sie sich zur Seite.
    Onawah stand zwei Schritte neben ihr und blickte ein wenig scheu zu ihr hinüber. Oder war sie traurig?
    »Gehst du mit den Männern?«, fragte sie, als Marie sich umwandte und zu ihr ging.
    Marie senkte den Kopf. »Ich muss! Der Mann, den ich heiraten will, sucht nach mir.«
    »Und warum kommt er nicht selbst?«
    »Es ist bei uns alles ein bisschen anders, Onawah. Komplizierter.« Obwohl sie froh war, dass die Männer aufgetaucht waren, wurde Marie jetzt schwer ums Herz, denn sie hatte die Kinder und die freundliche Art der Erwachsenen lieb gewonnen.
    »Ich verstehe nicht, warum sich Weiße so viele Dinge schwer machen. Ein Mann, der seine Frau liebt, soll kommen und sie holen, nicht andere Männer schicken.«
    »Diese Männer haben mein Foto auf einem Steckbrief gesehen«, versuchte Marie der Heilerin zu erklären. »Es ist Zufall, dass sie mich hier gefunden haben.«
    »Es gibt keinen Zufall, es ist alles Wille der Götter.« Onawah lächelte jetzt wieder versöhnlich. »Wenn sie wollen, dass ein Mann dich liebt, führen sie ihn zu dir. Und du wirst erkennen, dass er richtig ist.«
    Carter hatte recht, die Verhandlungen dauerten ziemlich lange. Während die Männer im Zelt saßen, trafen die Frauen erste Vorbereitungen für das Abendessen. Marie beobachtete, wie Philipp, der offenbar so etwas wie ein Handlanger der Pelzjäger war, die schweren Ballen von den Lastpferden hob und gleich aufteilte, wie es der Boss angeordnet hatte.
    Philipps Umgang mit den Pferden faszinierte Marie. Noch nie hatte sie einen Mann gesehen, der so behutsam mit den Tieren war. Selbst die Cree, die ihre Pferde wirklich gut behandelten, gingen im Gegensatz zu ihm grob mit ihnen um.
    Als die Händler endlich aus dem Zelt des Häuptlings kamen, brannten ringsherum Feuer, und die Frauen stimmten Gesänge an. Beim anschließenden gemeinsamen Abendessen hatte Marie Gelegenheit, sich die Händler genauer anzusehen.
    Ihre Tischmanieren waren gewöhnungsbedürftig, doch das kannte sie bereits von den Treckleuten. Obwohl sie sich freundlich mit den Frauen hier unterhielten, kamen sie keiner von ihnen zu nahe, was Marie sehr anständig fand. Jennings setzte sich später noch einmal zu ihr, um ihr zu erklären, wie die Reise verlaufen sollte.
    Als die Feuer gelöscht wurden und Marie ein letztes Mal auf ihrem Wolfsfell lag, starrte sie an die Zeltdecke, unfähig, Schlaf zu finden. Tausend Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf.
    Ich werde Tahawahs Hochzeit nicht mehr mitbekommen. Aber dafür wahrscheinlich meine eigene erleben. Tahawah wird den Unterricht allein weiterführen müssen, aber das kann sie aufgrund ihrer Fähigkeiten. Und ich werde Mrs Jeremy Plummer werden.
    Sie wusste nicht, ob sie sich darüber freuen oder ob sie das beunruhigen sollte, jetzt, wo sie eine andere Art zu leben kennengelernt hatte, eine friedliche Lebensweise ohne gesellschaftliche Schranken. Irgendwann schlief sie doch ein und träumte einen wirren Traum von Wölfen, den sie sich aber nur bruchstückhaft merkte. Weil kein weißer Wolf darin vorkam, hielt sie es für unnötig, ihn gegenüber Onawah zu erwähnen, als sie sich am kommenden Morgen von ihr verabschiedete.
    »Ich werde wiederkommen, Onawah«, erklärte Marie, während sie die Hände der Heilerin ergriff. »Das verspreche ich dir.«
    »Wenn du Ehefrau bist, hast du keine Zeit mehr.«
    »Ich werde kommen. Vielleicht wollen die Kinder hier ja noch mehr Englisch lernen. Ich tue es gern und danke dir und deinem Volk für alles, was ihr für mich getan habt.«
    Onawah löste sich aus Maries Griff und legte ihre Hände um deren Gesicht.
    »Ich werde die Götter bitten, auf dich achtzugeben. Höre auf dein Herz und den Ruf des Wolfes, deinen Schutzgeist. Sie werden dich leiten im Leben.«
    Die beiden Frauen berührten sich mit der Stirn, dann gab Onawah Marie wieder frei.
    Tränen standen in ihren Augen, als sie sich von Tahawah verabschieden musste. Die junge Frau war untröstlich darüber, dass Marie nicht bis zu ihrer Hochzeit bleiben konnte – und dass der gemeinsame Unterricht vorüber war.
    »Ich bin sicher, dass du den Unterricht allein fortführen kannst«, ermutigte Marie sie. »Du sprichst beinahe genauso gut wie ich. Du darfst nur den Mut

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