Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)
nicht verlieren. Es ist wichtig, dass ihr mit den Weißen sprechen könnt, nur so könnt ihr verhindern, dass sie euch wieder Land wegnehmen oder noch Schlimmeres antun.«
Tahawah nickte, dann legte sie die Stirn an die von Marie, sodass sich ihre Nasen kurz berührten.
»Götter mögen dich schützen, weiße Wölfin.«
»Dich auch, Tahawah.«
Als Marie schließlich zu den Pelzhändlern hinüberging, musste sie wirklich um ihre Beherrschung ringen, so sehr, dass sie nicht einmal mitbekam, dass Philipp ihr sein eigenes Pferd gegeben hatte und selbst eines der Lasttiere für sich auserkoren hatte.
»Es ist schwer, sich von diesen Menschen zu lösen, wenn man sie erst mal kennengelernt hat, nicht wahr?« Jennings lächelte ihr aufmunternd zu.
»Ja, sehr schwer.«
»Aber es muss kein Abschied für immer sein. Wenn Sie erst mal verheiratet sind, wird Ihr Mann Sie vielleicht hierher begleiten. Als Reverend ist er vielleicht daran interessiert zu missionieren.«
Marie war nicht sicher, ob sie das wollte. Wenn diesen Menschen ihre Götter genommen wurden, verloren sie auch ihr Gesicht und ihre Unschuld. Schlagartig würden die Probleme der Weißen auch zu ihnen kommen und ihr friedliches Leben zerstören.
Nachdem Carter ihr in den Sattel geholfen hatte, blickte Marie noch einmal auf das Lager zurück. Die Cree hatten sich vor den Zelten versammelt, doch Marie bezweifelte, dass es wegen ihr war. Wahrscheinlich wollten sie eher die Pelzhändler verabschieden, die ihnen zahlreiche Büffelfelle abgenommen hatten. Dennoch hob sie die Hand und winkte. Dann wandte sie sich ihrem neuen Leben zu.
14. Kapitel
Eine ganze Weile ritten sie über Stock und Stein, zwischen Baumstämmen hindurch und an Hügeln vorbei, auf denen sich ein dunkelgrünes Plaid aus Fichten und Tannen ausbreitete.
Aus Rücksicht auf Marie ritten die Händler ein wenig langsamer. Carter bildete hinter dem dritten Händler mit dem Packpferd im Schlepptau das Schlusslicht. Zunächst war das Reiten für Marie sehr ungewohnt; sie hatte Schwierigkeiten, sich den Bewegungen des Pferdes anzupassen und verkrampfte sich. Doch schließlich wurde sie etwas lockerer und merkte, dass Carter ihr sein Pferd aus gutem Grund gegeben hatte. Das Tier war sehr gutmütig und ruhig und hatte keine Probleme mit einer ungeschickten Reiterin, wie sie eine war.
»Ich hoffe, Sie sitzen gut auf Ihrem Pferd.«
Philipp lenkte sein Pferd eine Armlänge entfernt neben Marie. Das Packpferd mit dem struppigen Fell und der kurz geschnittenen Mähne schnaubte freudig.
»Ja, sehr gut, danke«, antwortete Marie und deutete auf das Pferd nebenan, das übermütig den Kopf schüttelte. »Ihr Pferd freut sich auch, dass es mal nicht so viel Last tragen muss.«
»Da wäre ich nicht so sicher, ich wiege auch einiges.«
»Aber nicht so viel wie die Ballen. Ich habe beobachtet, wie Sie sie abgeladen haben. Das müssen ziemlich schwere Brocken gewesen sein.«
»Oder ich bin einfach nur ein Schwächling«, entgegnete Carter mit Schalk in den Augen.
»Das bezweifle ich ebenfalls.« Marie erschrak beinahe darüber, dass ihr ein so unbeschwertes Lachen über die Lippen kam. Ein Lachen, das beinahe klang wie damals, wenn ihr Bruder sie geneckt oder abgekitzelt hatte.
»Sie lachen wirklich wunderschön, Miss«, bemerkte Carter, was Marie auf der Stelle erröten ließ.
»Finden Sie?«
»Ja, das finde ich. Wenn manche Frauen lachen, glaubt man, hinter der Hausecke stünden Ziegen. Aber Sie lachen wie ein junges Mädchen.«
»Danke, das ist sehr nett von Ihnen.« Marie blickte angestrengt auf die Pferdemähne. Warum macht er mir solch ein Kompliment?, dachte sie unruhig.
»Verzeihen Sie mir, wenn ich zu weit gegangen bin. Aber wie Sie schon gemerkt haben, ist es meine Angewohnheit, die Wahrheit zu sagen. Egal, ob mir mein Gegenüber die Ohren abreißt oder nicht.«
»Eine sehr edle Fähigkeit«, entgegnete Marie ernst, während sie wieder zu Carter blickte. Dabei entdeckte sie eine Narbe, die sich vom rechten Ohr senkrecht über seinen Hals zog und unter seinem Kragen verschwand.
»Ja, kein Wunder, dass ich bei Mr Jennings noch immer der Handlanger bin. Manchmal verträgt er die Wahrheit auch nicht.«
»So sieht er mir gar nicht aus!«
»Sie haben das Glück, keine Wochen und Monate mit ihm zu verbringen. Außerdem sind Sie eine Frau, da gibt er sich immer besonders viel Mühe.«
Auch als sich Schweigen zwischen sie schob, blieb Carter an ihrer Seite, als wollte er sie vor irgendwelchen
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