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Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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Mischung bei Jennings erfragte.
    »Die Mischung ist eigentlich ein Geheimnis«, gab er ein wenig brummig zurück. »Aber weil Sie’s sind: Ich nehme dazu immer Amaranth, Wilde Möhre, getrocknete Pilze und Gelbwurz. Die Pilze müssen Sie sich aufheben, alles andere wächst hier in der Gegend.«
    Gesättigt blickten sie schließlich in die Flammen und hingen ihren Gedanken nach.
    Im Schein des hoch auflodernden Feuers erschien Marie die Lichtung unheimlich. Auch in ihrem Traum hatte es einen Feuerschein gegeben. Und sie hatte dort auch in einem Zelt gelegen. Unsicher blickte sie in die Runde, wo Lichtflecke über das Gebüsch huschten, doch es erschienen weder Geister noch Wölfe noch die seltsame Wolfsfrau.
    Nachdem sie sich auf ihre Schlaflager begeben hatten, starrte Marie noch lange auf die Zeltbahnen über sich. Der aufgehende Mond malte auf dem Stoff den Schatten der Äste ab, die sich im Wind sanft wiegten. Ringsum knackte und raschelte es. Marie fühlte sich an den Treck erinnert und fragte sich erneut, was aus den anderen geworden war. Vielleicht saßen Ella und die anderen ja bereits bei ihren Ehemännern am warmen Ofen. Mit dem Wunsch, es möge so sein, schlief sie schließlich ein.

15. Kapitel

    Der morgendliche Ruf eines Vogels schreckte Marie aus dem Schlaf. Obwohl das Tageslicht noch schwach war, erhob sie sich und streckte den Kopf nach draußen. Die Lichtung war in so dichten Nebel gehüllt, dass sie den Felsen in seiner Mitte nicht mehr sah. Da sie für ihre morgendliche Wäsche kein Trinkwasser verschwenden wollte, brachte sie ihre Kleider in Ordnung und verließ dann so leise wie möglich das Zelt. Leises Schnarchen begleitete sie, als sie auf Zehenspitzen an den in Schlafsäcke gehüllten Männern vorbeiging.
    Der Wald hatte sich über Nacht verwandelt. Baumstämme und Blattwerk glitzerten wie von feinem Lack überzogen. Tautropfen fielen von den Ästen und machten Spinnweben sichtbar, vertrieben zuweilen deren achtbeinige Bewohner durch einen gezielten Treffer. Zurück blieben leicht schwingende Netze, von denen Tau auf ihr Kleid herabregnete. Auch die Geräusche waren andere als am Abend zuvor. Die Vögel schienen andere Lieder zu singen. Oder waren es andere Vögel? Marie nahm sich fest vor, alles über die Fauna und Flora dieses Landes zu lernen, wenn sie erst einmal die Möglichkeit hatte, an Bücher zu gelangen.
    An dem kleinen Bach angekommen, blieb sie wie angewurzelt stehen und hielt den Atem an. Eine kleine Hirschkuh tauchte ihre Schnauze gerade in das Wasser. Halt an einem Baumstamm suchend zog sich Marie ein wenig zurück, denn sie wollte das Tier auf keinen Fall stören. Was für ein Bild der Ruhe! Obwohl die Bewegungen ihrer Ohren verrieten, dass die Hirschkuh trotz allem wachsam war.
    In ihrer Heimat hatte Marie bei Wanderungen auch oft Tiere entdeckt, doch diese waren recht nervös gewesen und hatten sie nur Sekunden nach ihrem Auftauchen bemerkt. Dieses Tier war so sehr ins Trinken versunken, dass es sie gar nicht bemerkte.
    Onawah hätte das Auftauchen des Tiers sicher für ein Zeichen der Götter gehalten, dachte Marie und merkte dabei, dass die Erinnerung an die Heilerin und das Cree-Lager einen bittersüßen Schmerz in ihrer Brust wachrief. Auch wenn sie sich durch ihre Verlobung ihrer eigenen Welt verpflichtet fühlte, so stieg in ihr doch die Sehnsucht danach auf, ebenso wie die Cree in der Wildnis zu leben, frei zu sein von allen Zwängen der Zivilisation.
    Als etwas Dorniges ihre Hand berührte, zuckte Marie erschrocken zusammen. Obwohl sie ihren kleinen Schrei sofort unterdrückte, hob die Hirschkuh den Kopf. Als das Tier Marie zwischen den Baumstämmen ausmachte, spannte es die Muskeln an und sprang zur Seite. Innerhalb weniger Augenblicke verschwand es im Gestrüpp. Verärgert blickte Marie auf den großen Borkenkäfer, der über ihre Hand gekrabbelt war. Hätte er sich nicht einen anderen Weg suchen können?
    Da der Bach jetzt frei war, hockte sie sich in das weiche Moos und knöpfte ihr Kleid ein Stück weit auf. Ohne Seife war es nur eine Katzenwäsche, aber der Kontakt mit dem kühlen Wasser vertrieb die restliche Müdigkeit und schärfte ihren Geist. Auf einmal erschien ihr ihre Sicht wesentlich klarer, und auch ihr Gehör wurde schärfer. Natürlich galt das nicht für das beschädigte Ohr, doch sie hatte den Eindruck, dass das gesunde wesentlich mehr erfasste.
    »Ach, hier sind Sie!«
    Als sich Marie umwandte, trat Carter gerade hinter dem Baumstamm hervor,

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