Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)
sich, wenn das erste Mal irgendein Tier bei ihnen am Zelt anklopft.«
Als Philipp wieder zurück war und sie die letzten Schlafsäcke verstaut hatten, stiegen sie wieder auf die Pferde und kehrten auf den Weg zurück, den sie am vorherigen Abend verlassen hatten.
Nur schwer hob sich an diesem Morgen der Nebel; wie Watte hing er zwischen den Baumkronen. Weiter höher im Gebirge wirkte es, als hätten sich die Wolken ein Stück weit hinabgesenkt.
»Hoffentlich bekommen wir keinen Regen«, brummte Brian. »Ich habe keine Lust, meine Mützen stundenlang trocknen zu lassen.«
»Regen würde ihr ganz guttun, dann bekommen die Läuse darin mal ein Bad!«, gab Jacques zurück.
»Er hat recht, wer weiß, was sich darin alles tummelt!«, setzte Jennings lachend hinzu.
»Das musst du gerade sagen mit deinem Opossum auf dem Kopf!«, fuhr Brian ihn an.
»Dieses Opossum, wie du es nennst, ist bester Zobel, so was tragen in Europa nur die Adligen.«
»Mag sein, dass sie das tun, aber das da auf deinem Kopf ist nie und nimmer Zobel. Bestenfalls Marder oder Waschbär!«
Marie kicherte leise in sich hinein. Wenn sie erst einmal in der Stadt war, würden sie bei Tisch wohl eine ganze Menge zu erzählen haben. Sie blickte zur Seite, wo wie immer Carter ritt und sie nicht aus den Augen ließ. Er, der sich aus dem Streitgespräch heraushielt, lächelte ihr in stummem Einverständnis zu, und Marie stellte verwirrt fest, dass sie dieses Lächeln wunderschön fand.
In den folgenden Tagen kam Marie die Gegend, durch die sie ritten, immer bekannter vor. Der Wald ähnelte dem, den sie auch mit dem Treck durchfahren hatten. Und als sie schließlich an dem Wasserloch mit den roten Lupinen rasteten, wusste sie, dass sie denselben Weg nahmen, den auch der Treck befahren hatte. Nach kurzer Suche entdeckte sie im Gras sogar Wagenspuren.
»Hier sind wir auch mit dem Treck vorbeigekommen«, eröffnete sie Jennings beim Mittagessen, das aus Dosenfleisch und Brot bestand.
Der Mann nickte. »Gut möglich. Diese Strecke ist sehr beliebt bei Reisenden. Leider auch sehr gefährlich.«
»Gibt es denn keine Alternativen?« Marie fragte sich, ob der Überfall vermeidbar gewesen wäre.
»Natürlich gibt es die, aber sie sind sehr vom Wetter abhängig. Ein Sturzregen, und schon verwandeln sich die Wege in Sümpfe. Die Banditen wissen schon, warum sie an den guten Wegen lauern.«
Als sie wieder aufbrachen, hätte Marie schwören können, dass dies der Weg war, den sie nach dem Gewitter eingeschlagen hatten. Der Banditenweg …
»Ist es klug, hier langzureiten?«, wandte sie sich an Philipp. »Was, wenn die Banditen, die den Treck überfallen haben, noch immer hier sind?«
»Dann werden sie den Ärger ihres Lebens bekommen.«
»Aber es waren mindestens zwei Dutzend, und Sie sind zu viert.«
»Männer wie diese haben es entweder auf leichte Beute oder auf Frauen abgesehen. Ich glaube nicht, dass wir für sie interessant sind.«
»Aber ich bin eine Frau.«
Philipp lächelte. »Ja, das sind Sie. Trotzdem werden sie uns wegen einer einzelnen Frau nicht angreifen. Und auch nicht wegen der Felle. Die muss man nämlich erst noch verkaufen, und diese Mühe macht sich kein Bandit.«
»Aber Sie haben doch sicher auch Geld bei sich?«
»Keinen Cent!«, entgegnete Philipp. »Es hat schließlich ganz schön was gekostet, den Cree die Felle abzukaufen. Sollten Sie je die Banditenlaufbahn einschlagen wollen, können Sie sich merken, dass man Pelzhändler nur überfallen sollte, wenn sie keine Ware mit sich führen. Keine Ware – volle Geldbeutel. Viel Ware – leere Taschen.«
»Ich bezweifle, dass ich meinen Lebensunterhalt je damit verbringen will, Leute auszurauben, aber vielen Dank für den Hinweis.«
Mit Unruhe im Nacken trieb Marie ihr Pferd weiter an. Die ganze Zeit hatte sie das Gefühl, dass sie beobachtet wurden, und sie wurde das Gefühl auch nicht los, als sie es als Einbildung abtat. Das undurchdringliche Gestrüpp zwischen den Bäumen erschien ihr auf einmal feindselig, und jedes Geräusch, das lauter war als der dumpfe Laut der Pferdehufe, ließ sie zusammenschrecken.
Schließlich wurde Carter wieder vorausgeschickt, was Marie verwunderte. Es war doch noch gar nicht Zeit für die Rast!
Bereits nach wenigen Minuten sprengte er ihnen wie vom Teufel gejagt wieder entgegen. Marie schlug erschrocken die Hand vor den Mund. Banditen! Wahrscheinlich hatte er sie entdeckt.
Mit rasendem Herzen beobachtete sie, wie Carter neben Jennings ritt und
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