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Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der weißen Wölfin: Kanada-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Bouvier
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hinter dem sie die Hirschkuh beobachtet hatte. Wie lange er wohl schon dort stand?
    Erst im nächsten Augenblick wurde ihr klar, dass ihr Kleid immer noch bis zur Brust aufgeknöpft war. Verlegen nestelte sie an den Knöpfen, bis es ihr gelang, sie zu schließen.
    »Ich wollte mich nur ein wenig waschen.« Mit gesenktem Blick erhob sich Marie wieder. »Wenn Sie wollen, können Sie …«
    »Danke.«
    Carter bewegte sich nicht von der Stelle. Sein Blick ruhte noch immer auf ihr, so als wollte er sich ihre Gestalt vor dem Bach für immer einprägen.
    »Sie scheinen recht furchtlos zu sein«, sagte er dann. Der seltsame Moment des Schweigens zwischen ihnen löste sich auf. »Besonders morgens ist viel Getier unterwegs, auch Bären.«
    »Das hätten Sie mir früher sagen sollen«, entgegnete Marie, während sie sich ein wenig ängstlich umsah. »Dann hätte ich das Lager bestimmt nicht verlassen.«
    »Manchmal ist es besser, wenn man nicht um eine Gefahr weiß«, entgegnete Carter lächelnd. »Denn wenn man sie kennt, läuft man auch Gefahr, ihr schneller zu begegnen.«
    »Meinen Sie wirklich?«, zweifelte Marie. »Ich finde eher, wenn man die Gefahr kennt, kann man ihr entgehen.«
    »Vielleicht, aber nimmt man sich dann nicht selbst einen Teil der Freude? Sie haben vorhin so unbeschwert ausgesehen und sich sicher auch so gefühlt.«
    Also hatte er doch schon eine Weile da gestanden und sie beobachtet!
    »Ja, dieser Ort ist wirklich schön – jedenfalls war er das, bevor Sie mir von den Bären erzählt haben.«
    Carter lachte auf. »Keine Sorge, Miss, Bären haben vor Ihnen ebenso viel Angst wie Sie vor ihnen. Und solange Sie sich nicht neben einer Bärenhöhle erleichtern, sind Sie ziemlich sicher. Menschlicher Urin macht die Tiere aggressiv.«
    »Gut zu wissen«, entgegnete Marie unbehaglich.
    Wieder trat Schweigen zwischen sie. Jetzt wäre der geeignete Moment gewesen, sich zu erheben und zu gehen, doch etwas hielt Marie davon ab.
    »Ich habe vorhin eine Hirschkuh hier am Fluss gesehen«, sagte sie, während sie die Abdrücke der Hufe im Gras suchte. »Hier hat sie ihre Spuren hinterlassen.«
    »Hirsche sind um diese Zeit recht häufig unterwegs, während sie am Tag regelrecht zu verschwinden scheinen.«
    »Da sie ganz ruhig an dieser Stelle gestanden hatte, dachte ich mir, es wäre auch für mich ein guter Ort.«
    »Das ist es sicher. Hirsche haben ziemlich gute Ohren, sie wittern einen Bären schon auf eine Meile.«
    »Das habe ich mitbekommen.« Noch immer ärgerte sie sich über den Käfer. Da ihr jetzt nichts mehr einfiel, um ihr Bleiben zu rechtfertigen, raffte sie ihren Rock und sagte: »Der Fluss gehört jetzt Ihnen, Mr Carter.«
    Als sie sich entfernte, meinte sie seinen Blick zwischen den Schulterblättern zu spüren.
    Bei ihrer Rückkehr waren die Männer bereits dabei, das Lager abzubrechen. Während Jennings und Jacques ihre Schlafsäcke zusammenrollten, erleichterte sich Brian neben einem Baum. Marie verschloss ihre Nase so gut es ging vor dem Uringeruch, der ihr entgegenwehte. Kein Wunder, dass er Bären aggressiv machte!
    Während sie sich fragte, ob Bären den Geruch auch über lange Strecken wittern konnten, begann sie, das Zelt zusammenzulegen. Nach einer Weile kam ihr Jacques zu Hilfe, und es stellte sich heraus, dass ihm die Unterkunft gehörte.
    »Machen Sie nur nichts kaputt, Miss«, sagte er mit seinem schweren Akzent. »Das Zelt brauche ich noch eine Weile.«
    »Oh!« Marie schreckte zurück, worauf der Pelzhändler lachte.
    »Keine Sorge, ich habe nur einen Scherz gemacht. Das Zelt hält ziemlich viel aus. Sehen Sie diese Flickstelle hier?« Er deutete auf vier parallel nebeneinander liegende Risse, die mit groben Stichen verschlossen worden waren, wahrscheinlich von Jacques selbst.
    »Das war ein Bär, der geglaubt hat, in dem Zelt sei Futter. So, wie er nach dem Zelt geschlagen hat, hätte er es eigentlich zerfetzen müssen, aber der Stoff hat gehalten.«
    Marie riss erschrocken die Augen auf. »Als der Bär angriff … Waren Sie da im Zelt?«
    Jacques schüttelte lachend den Kopf. »Nein, zum Glück nicht. Ich stand hinter ihm – mit meinem Gewehr. Das Bärenfell hat einen guten Preis gebracht.«
    »Und sind Sie schon mal angegriffen worden, als sie im Zelt waren?«
    »Bisher noch nicht. Aber manchmal kratzen irgendwelche Tiere an der Plane. Haben Sie heute Nacht nichts gehört?«
    Marie schüttelte den Kopf. »Nicht direkt am Zelt.«
    »Dann hatten Sie Glück. Die meisten erschrecken

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