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Das Lied des Achill

Das Lied des Achill

Titel: Das Lied des Achill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeline Miller
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kennengelernt, Prinz von Ithaka?«
    Odysseus ließ nicht erkennen, ob er sich gereizt fühlte oder nicht. »Nett von dir, dass du fragst. Als Tyndareos einen Gatten für Helena suchte, kamen Bewerber aus aller Herren Länder. Ich bin sicher, du weißt davon.«
    »Zu der Zeit war ich bereits verheiratet«, erwiderte Lykomedes. »Darum bin ich nicht gekommen.«
    »Natürlich nicht. Und der da war wohl leider noch zu jung.« Er warf mir ein Lächeln zu und richtete seinen Blick zurück auf den König.
    »Von allen Bewerbern war ich glücklicherweise der erste, der am Hof eintraf. Der König lud mich ein, mit seiner Familie zu speisen: Helena, seine Schwester Klytämnestra und deren Kusine Penelope.«
    »Er lud dich ein?«, frotzelte Diomedes. »War’s nicht eher so, dass du der Holden nachgestiegen bist und ihr aufgelauert hast?«
    »Ich bin mir sicher, dass der Prinz von Ithaka so etwas nicht täte.« Lykomedes zog die Stirn in Falten.
    »Ich muss gestehen, dass ich ihr tatsächlich nachstellte, obwohl ich dein Vertrauen in mich zu schätzen weiß«, sagte Odysseus und schenkte dem alten König ein strahlendes Lächeln. »Penelope hat mich sogar dabei ertappt. Sie verriet mir später, mich die ganze Zeit über beobachtet und gefürchtet zu haben, ich könne mich am Dornbusch verletzen, hinter dem ich steckte. Das war natürlich peinlich, zumal mir auch Tyndareos auf die Schliche kam, aber er kam und bat mich zu bleiben. Als wir dann bei Tisch saßen, wurde mir bewusst, dass Penelope noch viel klüger war als ihre Kusinen und genauso schön. Und –«
    »So schön wie Helena?«, unterbrach Diomedes. »War sie deshalb, obwohl schon zwanzig, immer noch unverheiratet?«
    Odysseus lächelte mild. »Du wirst von einem Mann doch nicht verlangen, dass er seine Gemahlin im Vergleich zu anderen Frauen weniger vorteilhaft beschreibt.«
    Diomedes verdrehte die Augen, lehnte sich zurück und stocherte mit der Spitze seines Messers zwischen den Zähnen.
    Odysseus wandte sich wieder Lykomedes zu. »Im Laufe unserer Unterhaltung und als mir bewusst wurde, dass Penelope Gefallen an mir fand –«
    »An deiner äußeren Erscheinung kann es wohl nicht gelegen haben«, kommentierte Diomedes.
    »Gewiss nicht«, pflichtete ihm Odysseus bei. »Jedenfalls fragte sie mich, welches Geschenk ich meiner Braut machen würde. Ich sagte: ein Hochzeitsbett aus edelster Steineiche. Damit war sie allerdings nicht einverstanden. Ein Hochzeitsbett, entgegnete sie, solle nicht aus totem, trockenem Holz gemacht werden, sondern aus grünem, lebendigem. ›Und was, wenn ich dir ein solches Bett baue?‹, fragte ich. ›Wirst du mich dann zum Gemahl nehmen?‹ Darauf antwortete sie –«
    Der König von Argos schnaubte verächtlich. »Ich kann die Geschichte nicht mehr hören.«
    »Dann hättest du vielleicht nicht vorschlagen sollen, dass ich sie erzähle.«
    »Und du solltest dir vielleicht etwas Neues einfallen lassen, sonst langweile ich mich verdammt nochmal zu Tode.«
    Lykomedes zeigte sich entrüstet. Solche Flüche waren vielleicht auf dem Exerzierplatz oder im Gesindehaus entschuldbar, nicht aber bei Hofe, zumal an der Speisetafel. Odysseus schüttelte den Kopf. »Wahrlich, die Männer von Argos werden von Jahr zu Jahr barbarischer. Lykomedes, bringen wir dem König von Argos ein bisschen Kultur bei. Ich hoffe, die berühmten Tänzerinnen deiner Insel bewundern zu dürfen.«
    Lykomedes schluckte. »Nun ja«, stammelte er. »Ich habe nicht –« Er unterbrach sich, fing von neuem an und bemühte sich um einen angemessenen Ton. »Wenn du es wünschst.«
    »Wir beide wünschen es«, sagte Diomedes.
    »Nun denn.« Lykomedes’ Blicke huschten zwischen seinen Gästen hin und her. Thetis hatte verlangt, die Frauen versteckt zu halten, doch er konnte den beiden ihre Bitte unmöglich ausschlagen. Er räusperte sich und traf eine Entscheidung. »Also gut, sie sollen kommen.« Er gab einem Diener ein Zeichen, worauf dieser eilends die Halle verließ. Ich starrte auf meinen Teller, um mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr ich mich fürchtete.
    Die Frauen hatten nicht mit einem Auftritt gerechnet und zupften noch an ihren Gewändern, als sie die Halle betraten. Achill war unter ihnen und hielt den verhüllten Kopf gesenkt. Ich warf einen ängstlichen Blick auf Odysseus und Diomedes, doch sie schienen ihn nicht zu bemerken.
    Die Mädchen nahmen Aufstellung und die Musik fing zu spielen an. Es war ein Genuss, ihrem Tanz zuzuschauen, obwohl Deidameia fehlte, denn

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