Das Lied des Achill
Leib und bäumte sich unter mir auf.
Danach lagen wir atemlos Seite an Seite, ohne uns zu berühren. Sie war wie entrückt, ihre Haltung seltsam steif. Noch benommen und erschöpft versuchte ich, sie in den Arm zu nehmen. Zumindest das konnte ich ihr anbieten.
Doch sie rückte von mir ab und stieg aus dem Bett. Ihre Augen waren dunkel umrandet. Sie schlüpfte in ihr Kleid und kehrte mir dabei den Rücken zu. Ich wusste nicht, worauf sie es angelegt hatte, spürte aber, dass ich ihr nicht geben konnte, was sie wollte. Auch ich stand auf und zog mich an. Ich wollte sie berühren, ihr Gesicht streicheln, doch ihr Blick wehrte mich ab. Hüte dich , sagten ihre Augen. Sie öffnete mir die Tür. Mit gesenktem Kopf trat ich über die Schwelle hinaus in den Gang.
»Warte!« Ihre Stimme klang rau. Ich drehte mich um. »Richte ihm mein Lebwohl aus«, sagte sie und schlug die Tür zu.
Als ich Achill schließlich fand, fiel ich ihm vor Glück und Erleichterung in die Arme, selig, von Deidameias Kummer und Schmerz erlöst zu sein.
Später war ich fast überzeugt davon, dass ich, von seinen Schilderungen und meiner überbordenden Fantasie inspiriert, nur geträumt hatte. Doch dem war nicht so.
Vierzehntes Kapitel
D eidameia verließ, wie angekündigt, die Burg am nächsten Morgen. »Sie besucht eine Tante«, erklärte Lykomedes dem Hofstaat beim Frühstück mit flacher Stimme. Niemand wagte es, Fragen zu stellen. Sie würde fort sein, bis das Kind geboren war und Achill sich zur Vaterschaft bekannte.
Die folgenden Tage durchlebten wir wie in einem Schwebezustand. Achill und ich hielten uns so häufig wie möglich außerhalb der Burg auf, und an die Stelle der Freude über unser Wiedersehen trat Ungeduld. Wir wollten gehen, um auf den Pelion oder nach Phthia zurückzukehren. Angesichts des Schicksals der Prinzessin plagte uns ein schlechtes Gewissen, und die Stimmung am Hof hätte schlechter kaum sein können. Lykomedes legte die Stirn in Falten, sooft er uns sah.
Und dann war da der Krieg. Nachrichten erreichten sogar die entlegene, vergessene Insel Skyros. Helenas ehemalige Bewerber hatten sich an ihren Schwur gehalten, und Agamemnons Streitkräfte waren voll fürstlichen Geblüts. Es hieß, er habe geschafft, was bisher keinem Mann gelungen sei: die Vereinigung unserer vielen kleinen Königreiche unter einer gemeinsamen Sache. Ich erinnerte mich an ihn, an sein grimmiges Gesicht und seine zottelige, bärenhafte Erscheinung. Sein Bruder Menelaos hatte auf mich, den Neunjährigen, mit seinen roten Haaren und der heiteren Stimme einen nachhaltigeren Eindruck hinterlassen. Aber Agamemnon war älter, sein Heer größer. Er würde den Feldzug gegen Troja anführen.
Es war an einem Vormittag im Spätherbst. Hier, so weit unten im Süden, welkte das Laub nicht, und der Luft am Morgen fehlte die frostige Kälte. Wir hockten in einer Felsnische hoch über dem Strand mit weitem Blick aufs Meer und warteten darauf, Schiffe vorbeisegeln oder graue Delfinrücken durchs Wasser ziehen zu sehen. Wir warfen Kieselsteine und beugten uns vor, um zu beobachten, wie sie über die Felswand in die Tiefe sprangen. So hoch oben waren wir, dass wir ihren Aufprall in der Tiefe nicht hören konnten.
»Ich wünschte, wir hätten die Leier deiner Mutter bei uns«, sagte er.
»Ja, ich auch.« Doch sie war mit all den anderen Dingen in Phthia zurückgeblieben. Schweigend erinnerten wir uns an den Klang ihrer Saiten.
Er blickte auf. »Was ist das?«
Blinzelnd folgte ich seinem Fingerzeig. Die Sonne stand tief und schien mir ins Gesicht.
»Ich kann nichts erkennen«, antwortete ich mit Blick auf den Dunst zwischen Horizont und Himmel. Ein dunkler Fleck zeichnete sich in der Ferne ab. Vielleicht war es ein Schiff, vielleicht aber auch nur die Spiegelung der Sonne auf dem Wasser. »Wenn es ein Schiff ist, wird es Neuigkeiten bringen«, sagte ich mit jenem mulmigen Gefühl in der Magengegend, das mir inzwischen vertraut war. Ich fürchtete seit längerem, dass jemand kommen würde, der nach dem letzten Bewerber Helenas suchte, dem Eidbrüchigen. Ich war damals noch sehr jung gewesen und hatte nicht bedacht, dass es kein Heerführer auf sich sitzen ließe, wenn jemand seinem Ruf nicht folgte.
»Es ist ein Schiff, ganz bestimmt«, sagte Achill. Der Fleck rückte näher; das Schiff schien schnell voranzukommen. Bald zeichneten sich vor dem blaugrünen Wasser die Segel ab.
»Eine Handelsbarke ist es jedenfalls nicht«, meinte Achill. Die fuhren unter
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