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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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Ich untersuchte besonders genau ihren Hinterkopf, fand aber keinerlei Quetschung, wie auch keinerlei Spuren eines Schlafmittels oder Gifts.«
    »Trotzdem meint Ihr, daß sie ermordet worden ist?«
    »Ich kann das natürlich nicht wissen«, sagte Selditch. »Aber warum sollte sich eine hübsche junge Frau aufhängen? Father Augustine hat seiner Gemeinde dieselbe Frage gestellt, und glücklicherweise liegt Amelia deswegen jetzt in geweihter Erde begraben.«
    »Ja«, unterbrach ihn Monck, »niemand sonst war am Galgen. Keine Spuren einer gewaltsamen Auseinandersetzung, keine Hufabdrücke eines weiteren Pferdes oder Abdrücke von Stiefeln wurden gefunden.«
    Selditch wand sich etwas. »Das ist wahr. Aber wenn es Selbstmord war, warum sollte dann jemand das Pferd im Damensattel zum Dorf zurückreiten und so vorspiegeln, die arme Amelia zu
    sein?«
    »Ihr meint, daß es nur der Mörder gewesen sein kann, der das Pferd zurückritt?« fragte Corbett.
    »Allerdings.«
    Der Arzt kniff die Augen zusammen, und Corbett erkannte, daß er es trotz einer gutmütigen Art bei Giles Selditch mit einem scharfsinnigen Mann zu tun hatte, der sich nicht so leicht von einer Mehrheitsmeinung beeinflussen ließ.
    »Wer hat das Pferd zurückkommen sehen?« fragte Corbett weiter.
    »Zwei aus dem Dorf. Sie haben das Pferd des Bäckers erkannt. Der Reiter saß im Damensattel. Natürlich war es dunkel, und die beiden Dorfbewohner standen etwas entfernt und schlugen die Augen nieder, denn weder der Bäcker noch seine Frau waren, wie ich bereits gesagt habe, sonderlich beliebt.«
    »Wo war das?« erkundigte sich Corbett.
    »Auf dem Weg gerade vor Hunstanton. Aber damit Ihr Euch die Frage sparen könnt«, fuhr Selditch fort, »als das Pferd das Dorf erreichte, war der geheimnisvolle Reiter verschwunden. Deswegen denken wir auch, daß wir es mit einem Mord zu tun haben.« Selditch lächelte den Geistlichen an. »Ich danke Euch für Eure Unterstützung, Pater. Wenn Ihr nicht gewesen wärt, hätte dieser unwissende Pöbel den Leichnam der armen Frau noch gründlicher entweiht.«
    »Seid nicht so unnachsichtig«, entgegnete der Priester. »Hunstanton ist ein abgelegener Ort, und die Leute wissen zuviel voneinander. Was in einem Haus geschieht, weiß man umgehend auch im nächsten. Aber die Dorfbewohner halten zusammen und können ein Geheimnis wahren. Ich bin jetzt seit, Moment, seit fast zwei Jahren hier, und sie haben sich immer noch nicht ganz mit mir abgefunden.«
    »Ihr kommt also nicht hier aus der Gegend, Pater?«
    »Nein, nein, das nicht. Ich bin in Bishop’s Lynn geboren und aufgewachsen.« Der Geistliche lächelte säuerlich. »Seine Gnaden, der Bischof von Norwich, haben mich für meine Sünden hierhergeschickt. Aber jetzt muß ich mich wirklich zurückziehen...«
    Monck erhob sich. Er reckte sich, bis es in seinen Gelenken knackte, und gähnte lautstark. Father Augustine stand ebenfalls auf. Corbett, der kaum noch die Augen offenhalten konnte, wünschte beiden eine gute Nacht und ging auf sein Zimmer. Ranulf und Maltote lagen auf ihren Betten und schnarchten selig. Corbett breitete eine Decke über jeden aus und schaute dann aus dem Fenster. Er starrte in die neblige, kalte Nacht. »Seltsame Morde«, murmelte er. »Leute mit Geheimnissen.« Er erinnerte sich an die Tinte an den Fingern des Arztes. »Ich muß mit Selditch reden, er scheint über die Geheimnisse dieser Gegend Bescheid zu wissen.«
    Er entkleidete sich schnell, schlüpfte ins Bett und zog die Decken bis zum Kinn hinauf. Trotz der glühenden Holzkohlebecken war es kalt im Zimmer. Bevor Corbett einschlief, kam es ihm in den Sinn, daß es wohl andere Dinge waren als eine Untersuchung der Machenschaften der Pastoureaux, die Monck nach Hunstanton geführt hatten.

Kapitel 3

    C orbett wurde früh von der Glocke des Herrenhauses geweckt. Sie scheuchte die Diener aus den Betten, der Alltag auf dem Gut begann. Corbett stand auf und warf sich eine Decke um die Schultern, da klopfte ein Diener an der Tür, trug große Steingutkrüge mit heißem Wasser herein und füllte die Waschbecken. Frische Handtücher unterschiedlicher Größe hatte er ebenfalls dabei. Als der Diener wieder gegangen war, rief Corbett Ranulf und Maltote zu aufzustehen und rasierte und wusch sich eilig. Dann brach er die Siegel seines Urkundenbeutels und stellte seine Schreibutensilien auf den Tisch. Seine beiden Gefährten machten nicht den Eindruck, erwachen zu wollen, also schob Corbett die Fensterläden beiseite

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