Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
Vom Netzwerk:
unbeständig. Manchmal kommt die
    Flut langsam wie die Nacht, manchmal aber auch rasend schnell und erwischt den Arglosen.«
    »Darum ging es auch in meiner Geschichte gestern abend«, warf der Arzt Selditch ein. »Die gesamte Küste der Wash-Bucht ist heimtückisch. Springfluten können kümmerliche Bäche in reißende Flüsse verwandeln, wie König John zu seinem Schaden feststellen mußte.«
    »Wurde das Gold nie geborgen?« fragte Ranulf, den die Möglichkeit eines zu entdeckenden Königsschatzes in der Nähe neugierig gemacht hatte.
    »Es gibt viele Legenden«, entgegnete Selditch, »einige berichten davon, daß auf dem Land Sir Simons ein königlicher Schatz nur darauf wartet, gehoben zu werden.«
    Er unterbrach sich, da sie den Sumpf hinter sich hatten und Gurney ein schärferes Tempo befahl. Corbett bemerkte, daß Gurney sie jetzt weiter ins Hinterland führte. Es ging einen stark benutzten Weg entlang. Sie ritten nach Süden und hatten die Küste zu ihrer Linken. Er brachte sein Pferd auf eine Höhe mit dem Gurneys.
    »Was genau ist die Eremitage?« fragte er.
    »Eigentlich nichts anderes als ein alter Bauernhof, ein kleineres, etwas abgeschiedenes Herrenhaus. Der Boden, der dazugehört, ist ziemlich unfruchtbar. Der Hof ist bereits zu Lebzeiten meines Vaters verfallen. Gelegentlich wurde er von Schäfern bewohnt oder von Reisenden, Klosterbrüdern, einfach von jedem.«
    »Und warum habt Ihr ihn den Pastoureaux gegeben?«
    Gurney schob seine Kapuze zurück und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Warum nicht? Sie schienen gottesfürchtig zu sein und niemandem ein Haar zu krümmen.« Er lächelte. »Haltet mich deswegen nicht für einen Heiligen, Hugh. Sie arbeiteten im Gegenzug ohne Lohn auf meinen Feldern.« Er deutete durch die Nebelschwaden. »Seht Ihr das Licht? Wir sind fast dort.«
    Gurney fiel mit seinem Pferd in Galopp. Der Nebel hob sich plötzlich, als habe er mit ihnen gerechnet, und die Eremitage lag vor ihnen. Gurney zügelte sein Pferd, und alles, was Corbett jetzt sehen konnte, war eine hohe Mauer, ein stabiles Tor aus Eichenplanken und darüber ein Ziegeldach und die Strohdächer anderer Gebäude.
    »Wer da?« ließ sich eine Stimme vernehmen.
    Corbett kniff die Augen zusammen und sah einen Mann auf einem der beiden Torpfosten stehen. Ein Span wurde entzündet, und eine Fackel flammte auf.
    »Wer da?« erscholl es noch einmal.
    Gurney gab den anderen ein Zeichen zurückzubleiben, während er selbst langsam weiterritt.
    »Sir Simon Gurney!« rief er und erhob sich in den Steigbügeln, »mit dem Abgesandten des Königs, Sir Hugh Corbett.«
    »Wartet!« war von oben zu hören.
    Der Mann legte die Fackel hin und verschwand. Corbett ritt weiter vor.
    »Aber, Sir Simon, Ihr sagtet doch, das hier sei Euer Land und Euer Besitz?«
    Gurney zuckte mit den Achseln. »Ja, aber ich habe den Pastoureaux dieselben Rechte eingeräumt wie den anderen Orden. Man kann sie nicht einfach ohne Vorwarnung behelligen. Denkt daran, Sir Hugh, daß es auf dem platten Land zahlreiche Geächtete und Räuber gibt, die auf alles erpicht sind: Speise, Trank, ganz zu schweigen von sämtlichen Frauen unter Sechzig!«
    Er hielt inne, als das Tor von innen geöffnet wurde. Zwei Männer traten heraus und kamen auf sie zu. Corbett betrachtete sie neugierig.
    »Der ältere«, flüsterte Gurney, »ist Master Joseph, der andere Philip Nettler, der Vorsteher der Gemeinschaft, könnte man vielleicht sagen.«
    Die beiden näherten sich. Master Joseph war etwa fünfzig, eher klein, mit einem wettergegerbten Gesicht und hellblauen Augen, die von Lachfältchen umgeben waren. Jetzt lächelte er Gurney an und verbeugte sich vor Corbett. Mit diesen durchdringenden Augen, überlegte Corbett, sah er mehr wie ein Heerführer aus als ein Geistlicher. Philip Nettler, der jüngere der beiden, hatte schwarzes zerzaustes Haar, ein schmales Gesicht, Ränder um die Augen und zusammengepreßte Lippen. Er schien mehr auf der Hut zu sein als der andere, und er schaute an Corbett vorbei auf Monck, der wie der leibhaftige Tod auf seinem Pferd saß.
    Master Joseph lächelte Gurney an. »Guten Morgen, Sir Simon.«
    »Das hier ist der Abgesandte des Königs, Sir Hugh Corbett«, sagte Gurney.
    Master Joseph gab Corbett die Hand. Sie war weich und warm. »Darf ich Euch Master Philip vorstellen.«
    Wieder wurden Hände geschüttelt Dieses Mal war Corbett jedoch nicht ganz wohl in seiner Haut. Nettler verzog keine Miene und schaute Corbett nicht in die

Weitere Kostenlose Bücher