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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels
Autoren: Paul C. Doherty
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Zeit der Purifikation bestimmte Dinge benötigen.«
    »Purifikation?« Monck fragte so unschuldig, als höre er dieses Wort zum ersten Mal.
    »Wir sind Pastoureaux«, sagte Master Joseph voller Begeisterung. »Wir sind die guten Hirten Christi. Wir nehmen junge Männer und Frauen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, auf und instruieren sie in den Regeln unseres Ordens.« Er räusperte sich. »Wenn sie bereit sind, bringen wir sie zu einem Hafen, in unserem Fall nach Bishop’s Lynn. Wir arrangieren für sie die Schiffspassage zu unserem Ordenshaus in Bethlehem. Hier wird Christus wiederkehren.«
    »Und das glaubt Ihr wirklich?« fragte Monck und gab sich keine Mühe, sein Hohnlächeln zu verbergen.
    »Ihr etwa nicht?« erwiderte Master Joseph und riß überrascht die Augen auf. »Erkennt. Ihr, Master Monck, nicht die Lehre der Kirche an, daß Christus wiederkehren wird?«
    Monck merkte, daß man ihm eine theologische Falle stellen wollte, und trat den Rückzug an.
    »Es kommt einem nur so seltsam vor«, murmelte er.
    »Ich war dort«, sagte Joseph, »und Philip ebenfalls. Der HERR wird kommen.«
    Monck nahm den Angriff wieder auf. »Aber in Frankreich und am Rhein haben die Pastoureaux einen schlechten Ruf!« Master Joseph breitete die Hände aus. »Sollen wir etwa dafür verantwortlich gemacht werden? Einige Eurer Geistlichen betragen sich doch auch nicht so, wie sie sollen.« Er senkte seine Stimme zu einem spöttischen Flüstern. »Es wird behauptet, daß nicht alle Klosterbrüder, Mönche, Bischöfe, ja sogar Päpste das sind, wofür sie sich ausgeben.«
    Philip Nettler, der ihren Pferden die Vorderbeine zusammengebunden hatte, kam jetzt zurück. Er wischte sich die Hände an seinem braunen Gewand aus Barchent ab und schaute Gurney direkt an.
    »Sir Simon, haben wir uns jemals etwas zuschulden kommen lassen? Wir sind dem Diener Master Moncks nie begegnet, der so barbarisch ermordet wurde, und der armen Bäckersfrau auch nicht. Wir gehen nur selten einmal ins Dorf. Wir machen wirklich keinen Ärger.« Er preßte einen Moment lang die Lippen zusammen. »Aber jetzt haben wir selbst Ärger.«
    »Wie das?« fragte Corbett.
    »Eine unserer Novizinnen ist verschwunden. Marina.«
    Gurney sah Master Joseph betroffen an.
    »Ihr meint die Tochter des Gerbers?«
    »Ja, sie wollte gestern abend ihren Vater im Dorf besuchen, Fulke, und ist bis jetzt nicht zurückgekommen.«
    Master Joseph sah, daß sich Corbett vor Kälte die Hände rieb. »Tretet ein! Tretet ein!« drängte er.
    Er führte sie über den Hof und in das Hauptgebäude. Die Küche war ein niedriger langer Raum mit Balkendecke. Ein kleines Feuer brannte in dem riesigen Kamin. Daneben befand sich ein Backofen, in dem gerade Brot gebacken wurde, das einen süßlichen Geruch verbreitete. Die Küche war sauber und spärlich möbliert: Truhen, Wandborde mit Töpfen und Pfannen und ein langer Tisch auf Böcken, um den Hocker standen. Master Joseph bot ihnen Wein und Ale an, aber Corbett lehnte ab. Sie versammelten sich um den Kamin, zogen ihre Handschuhe aus und wärmten sich die Finger. Eine Tür am anderen Ende des Raumes wurde geöffnet, und die Brüder und Schwestern der Gemeinschaft traten ein. Corbett musterte sie interessiert. Insgesamt waren es sechzehn Personen, zehn Männer und sechs Frauen, alle noch sehr jung. Sie machten einen einigermaßen fröhlichen Eindruck. Die Männer trugen die Haare kurz geschnitten, die Frauen hatten es unter einer einfachen blauen Haube hochgesteckt. Alle waren sie in braune Gewänder gekleidet, die von einer Kordel zusammengehalten wurden. Darunter trugen sie dicke Wollstrümpfe, hohe Gamaschen und Sandalen oder Stiefel aus stabilem Leder. Corbett fragte sich, wie man bei so jungen Leuten die Moral aufrechterhalten mochte, tat diesen Gedanken dann aber als unfair ab. Derartige gemischte Orden waren in Frankreich an der Tagesordnung, und solche Doppelhäuser mit Mönchen und Nonnen wurden auch von dem von Gilbert of Sempringham in England begründeten Orden bevorzugt.
    Die jungen Leute setzten sich um den Tisch herum. Master Joseph gesellte sich zu ihnen und sprach das Tischgebet, bevor Ale und Brot aufgetragen wurden. Die Pastoureaux unterhielten sich leise untereinander, sie schienen die Besucher, die sie beobachteten, kaum zur Kenntnis zu nehmen.
    »Sind sie alle von hier?« flüsterte Corbett.
    »Das kommt darauf an, was Ihr mit >von hier< meint«, entgegnete Nettler. »Ungefähr vier sind aus dem Dorf, die anderen
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