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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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sondern jemanden aus dem Herrenhaus? Die Besucher - die Priorin und Father Augustine - waren offensichtlich an diesem Abend unterwegs gewesen. Selditch war spät bei Tisch erschienen. Aber jeder hätte das Herrenhaus verlassen können - Catchpole hatte die unterirdischen Gänge erwähnt. Hatte jemand diese benutzt, um heimlich das Herrenhaus zu verlassen?
    »Ich habe das Mädchen nicht umgebracht«, murmelte Gilbert. Corbett deutete auf die Kratzer, die er auf den Händen, auf den Handgelenken und im Gesicht hatte.
    »Woher stammen die?«
    »Als ich weglief, habe ich mich in den Brombeerranken verfangen.«
    »Und was ist mit der Bernsteinkette, die bei dir im Haus gefunden wurde?«
    Gilbert schüttelte ratlos den Kopf, wandte den Blick aber nicht ab.
    »Ich würde Marina kein Haar krümmen. Gilbert liebt Marina. Gilbert wollte ihr nur über ihr weiches Haar streichen.« Corbett sah den jungen Mann nachdenklich an. Du bist kein Mörder, ging es ihm durch den Sinn, sondern der Handlanger für jemand anderen.
    »Gilbert, die Halskette wurde in eurer Hütte gefunden.«
    »Jemand hat sie dort hingelegt.«
    »Und Marina hat sich geweigert, dich zu treffen.«
    »Nein, das stimmt nicht.«
    Corbett schaute überrascht auf. »Was?«
    Der junge Mann lächelte so hinterhältig, daß Corbett kaum seinen Augen traute. Vielleicht war Gilbert intelligenter und verschlagener, als er geglaubt hatte.
    »Hast du Marina getroffen?«
    »Ja, an unserem gewöhnlichen Platz, der alten Eiche auf dem Moor. Marina hat mich dort zweimal getroffen. Ich habe dort etwas hingelegt. Als wir Kinder waren, haben wir dort gespielt. Marina, ich und Blanche.«
    »Die Tochter des Vogts?«
    »Ja, die Tochter des Vogts.« Gilbert griff plötzlich nach Corbetts Knie. »Warum haben sie Mutter umgebracht? Ist sie wirklich tot? Kommt sie in den Himmel?«
    Corbett nahm vorsichtig die Hand des jungen Mannes von seinem Knie. Sie war schwach, kraftlos.
    »Geht es dir gut, Gilbert?« fragte er.
    »Ist Mutter jetzt im Himmel?«
    »Ja natürlich. Sie starb im Angesicht Gottes. Aber, Gilbert, bist du verletzt? Deine Hände sind so schwach.«
    »Das waren sie immer«, entgegnete der junge Mann. »Mutter sagte, das sei wegen meiner Geburt. Ich bin nicht so stark, wie ich aussehe. Deswegen hat mir Marina auch immer vertraut.« Gilbert richtete sich auf und lächelte. »Deswegen habe ich auch das Paket zur alten Eiche gebracht.«
    »Welches Paket?« fragte Corbett.
    »Nun ja, einen kleinen Brief, eine Pergamentrolle. Ein Hausierer brachte ihn aus Bishop’s Lynn. Auf ihm stand Marinas Name. Ich habe die Aufschrift gelesen. Jeden Tag bin ich mit dem Brief zur Eiche gegangen, aber Marina kam nicht.« Er lächelte. »Aber ich habe mit ihr gesprochen, als ich zur Eremitage kam, obwohl sie mir das nicht erlauben wollten. Ich habe ihr gesagt, daß ich ein Geschenk für sie hätte.«
    Gilberts Stimme klang plötzlich rauh. Corbett schaute sich in dem Verlies um. In einer Ecke stand ein Krug mit Wein. Er füllte einen ramponierten Becher und drückte ihn Gilbert in die Hand.
    Gilbert nahm ein paar Schluck und sprach dann weiter: »Marina kam zu der Eiche, und ich gab es ihr.«
    »Das Paket?«
    »Nun, wie gesagt, es war mehr eine kleine Rolle.«
    »Weißt du, was in dieser Rolle war?«
    »Nein, Marina steckte sie unter ihren Mantel, küßte mich auf die Wange und ging.«
    »Und du weißt nicht, was in dieser Rolle war?«
    »Nein, Herr, das weiß ich nicht. Werde ich gehenkt?«
    Corbett stand auf und klopfte dem Gefangenen auf die Schulter.
    »Keine Sorge, Gilbert, du wirst nicht gehenkt. Irgend jemand, aber nicht du. Es ist jedoch besser, wenn du hierbleibst, zu deiner eigenen Sicherheit.«
    Corbett hämmerte gegen die Tür. Catchpole und Selditch hatten auf ihn gewartet. Sie gingen den Stollen zurück, die Stufen hinauf und kamen wieder in die Halle. Corbett versuchte Selditch in eine Unterhaltung über die Geschichte des Hauses zu ziehen, aber der Arzt gab seltsam ausweichende Antworten oder zuckte nur mit den Achseln, fuchtelte mit seinen tintenfleckigen Händen herum und wich Corbetts Blick aus. Der ließ ihn ungeduldig stehen und suchte nach Gurney und fand ihn schließlich in seinem Schreibkabinett. Sein Gastgeber blickte auf, als er eintrat.
    »Ich will, daß der Bäcker hierhergebracht wird«, sagte Corbett übergangslos.
    »Fourbour?«
    Corbett trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch. »Ja, und Robert, der Vogt, auch. Ich will sie befragen.«
    »Warum?«
    »Weil

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