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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul C. Doherty
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hatte, und stieß auf die Kreuze, die den Holy Cross Convent, das Dorf Hunstanton, Mortlake Manor, den Galgen und die Eremitage markierten. Diese Karte war detaillierter als seine eigene und erfaßte ein größeres Gebiet bis hin nach Swaffham, die gesamte an die Wash-Bucht angrenzende Gegend und den Fluß Nene. Hier hatte Monck am meisten eingezeichnet, gestrichelte Linien kreuzten sich. Das dritte Pergament zeigte eine Skizze der Küste und die Zeichnung eines Handelsschiffes unter vollen Segeln.
    Corbett versuchte sich jedes Detail der drei Pergamente zu merken, ehe er sie wieder unter das Bett zurückschob. Er stand auf, vergewisserte sich, das sich alles wieder an seinem Platz befand, und ging hinüber zum Fenster, vor dem kein Laden war und von wo der Blick wie von seinem eigenen über die graue düstere See reichte.
    Was auch immer Euch hierhergeführt hat, Monck, dachte er, es sind nicht die Pastoureaux!
    Er verließ das Zimmer, schloß es wieder ab und begab sich zu den anderen, die immer noch in der Halle saßen.
    »Sir Simon, darf ich jetzt mit dem Gefangenen reden?« fragte er.
    Gurney nickte. »Catchpole wird Euch nach unten bringen. Selditch ist bereits bei ihm.«
    Catchpole begleitete Corbett einen Gang entlang. Vor einer eisenbeschlagenen Tür blieb er stehen und öffnete sie. Stufen wurden sichtbar, die in die Tiefe einer Höhle führten und nur ab und zu von einer Wandleuchte erhellt wurden. Am Fuße der Stufen begann ein langer Stollen, der in den Fels gehauen war. Corbett faßte überrascht an die Wände. Catchpole, der voranging, blieb stehen. »Habt Ihr nicht gewußt, Sir Hugh, daß Mortlake Manor auf einem Gewirr von Stollen und Tunneln erbaut ist? Hier kamen früher alle an, die über die Wash-Bucht übersetzen wollten.« Er deutete an die Decke. »Es wird behauptet, daß die Römer hier bereits einen Wachturm und ein Signalfeuer für ihre Schiffe hatten. Nach ihnen bauten die Angelsachsen und schließlich der alte Herzog William der Normandie einen Bergfried. Ihr solltet mit Selditch sprechen, er kennt die Geschichte dieser Gegend am besten. Aber kommt.«
    Der enge Tunnel schien endlos zu sein und führte leicht abwärts. Corbett fühlte einen leichten Anflug von Panik und versuchte, gleichmäßig zu atmen. Maeve und Ranulf zogen ihn immer wegen seiner Klaustrophobie auf. Schließlich blieb Catchpole vor einer massiven Eichentür mit einem kleinen Gitter oben stehen. Er schloß sie auf und schob Corbett spaßeshalber etwas unsanft hindurch.
    Der Kerker war kaum mehr als ein kahler, geräumiger Lagerraum. Gurney hatte sich jedoch Mühe gegeben, seinem Gefangenen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Gilbert saß auf der Kante eines Feldbettes und Selditch auf einem Hocker ihm gegenüber. Der Arzt wusch das Gesicht des Gefangenen mit einer Mischung aus Wasser und Wein und trug auf die blutunterlaufenen Stellen um die Augen eine Salbe auf. Das Licht eines dreiarmigen Leuchters fiel auf die beiden. Gilbert schaute kaum auf, sondern blickte düster auf den binsenbedeckten Fußboden. Selditch, der mit seinen Heilmitteln und Tinkturen beschäftigt war, murmelte einen Gruß. Schließlich war er fertig.
    »So!« Er lächelte Corbett an. »Keine ernsthaften Verletzungen, blaue Flecken auf der Brust und an den Beinen. Er wird auf jeden Fall bis zum Prozeß überleben.«
    »Die haben meine Mutter ermordet!« murmelte Gilbert.
    »Sie sagen«, entgegnete Corbett leise, »daß du das Mädchen auf dem Gewissen hast.«
    Selditch stand auf. »Ich warte draußen auf Euch, Sir Hugh.« Corbett nickte, setzte sich auf den Hocker und wartete, bis der Arzt die Tür hinter sich geschlossen hatte.
    »Gilbert«, befahl er dann. »Schau mich an!«
    Der junge Mann hob sein geschwollenes, ausdrucksloses Gesicht und rieb sich seine unsteten, feuchten Augen. War dieser Mann, fragte sich Corbett, tolpatschig und offensichtlich etwas zurückgeblieben, dazu fähig, die junge Marina einzuholen und zu ermorden, die flink war wie ein junges Reh? Er schloß die Augen - ihm war eine Idee gekommen, die aber so undeutlich war wie eine eben verlöschende Flamme, und er verlor den Faden. Irgend etwas damit, daß sich Marina auf dem Moor befunden hatte? Corbett starrte auf seine Hände. Ja, das war es! Marina war ein Mädchen aus dem Dorf. Sie kannte die Gegend ausgezeichnet. Wenn sie bedroht wurde, warum hatte sie dann nicht versucht, zur Eremitage zurückzukehren? Oder hatte sie nicht ihren Vater im Dorf treffen wollen,

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