Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
er nicht seinen sittsamen Ruf verlieren wollte.
Als Catrin das Haus verließ, waren ihre Schultern gestrafft und ihr Gang voller Energie. Frieder musste sich beeilen, um mit ihr Schritt zu halten.
»Ihr habt etwas herausgefunden, Frau Catrin?«
»Oh ja, Frieder. Und ich denke, wir sind Frau Alyss jetzt ein Stückchen näher gekommen.«
»Wodurch?
»Es ist das Geheimnis von Frau Ella und sollte nicht auf der Straße disputiert werden.« Aber dann brach es doch aus ihr heraus. »Trotzdem, Frieder – der Freund von Merten, dieser Constantin vamme Thurme, hat einen Knecht, Seitz mit Namen, dem ein Blumenkohlohr am Kopf sitzt. Dieser Knecht hat vor dem Haus der Schlupfhure Wache gehalten, solange die beiden sich drinnen miteinander vergnügt haben.«
»Oh Mann!«
19. Kapitel
I rgendwann in den Nachtstunden, als sie tief geschlafen hatte, war jemand in die Kemenate gekommen und hatte ihr Brot, kalten Braten und einen frischen Krug Wein hingestellt, stellte Alyss fest, als sie erwachte.
Also wollte man sie nicht verhungern lassen.
Auch aus kleinen Dingen konnte man Hoffnung schöpfen. Sie aß, verschmähte aber den Wein, goss ein Quantum davon aus dem Fenster und trank Wasser. Sie hätte viel darum gegeben, sich waschen und ein sauberes Hemd anziehen zu können. Ihre Haare fühlten sich klebrig und zerzaust an. Mit den Fingern versuchte sie, die Strähnen zu glätten, und flocht sich dann zwei feste Zöpfe. Dann widmete sie sich wieder ihrer Flechtarbeit, und als die Sonne hoch am Himmel stand, hörte sie die Schritte vor der Tür.
Das Netzwerk verschwand unter den Polstern, sie ließ ihre Schultern sinken und bemühte sich um ein ausdrucksloses Gesicht.
Duretta betrat mit einer Magd den Raum, die einen flachen Zuber und eine Kanne Wasser hineinschleifte.
Ihr Wunsch nach Sauberkeit sollte wohl in Erfüllung gehen.
Doch ein Genuss war die Wäsche nicht. Alyss musste sich weiterhin hilflos und benommen geben, Duretta entkleidete sie und nahm eigenhändig die Waschung vor. Viel zu neugierig berührte sie dabei ihren Leib, und viel zu kundig waren ihre Finger. Das beständige Gesäusel über Lieblichkeit und Schönheit ekelte Alyss maßlos an, aber schließlich war diese Tortur überstanden, und eine lavendelduftende Cotte wurde ihr über den Kopf gezogen.
»So sieht das wieder nett aus, und morgen waschen wir uns die Haare, nicht wahr, Liebschen?«
»Kann ich eine Bürste haben?«
»Kriegst du morgen. Dann machen wir dich richtig fein. Der Herr Papa möchte nicht, dass es dir schlecht geht. Das hat er extra angeordnet. Hat dir der Braten gemundet? Ist der Wein nicht lecker? Es geht dir doch gut hier. Ruhe herrscht, keine Sorgen, keine Anstrengungen belasten dich.«
Alyss hatte Mühe, ihre leicht beduselte Haltung zu wahren. Der Herr Papa? Was sollte das denn heißen? Hatten sie eine Lösegeldforderung gestellt? Nur – Papa hatte sie ihren Vater nie genannt.
»Papa?«, lallte sie also verständnislos. »Was will Papa?«
»Aber das weißt du doch, Liebelein. Er will, dass du endlich zur Besinnung kommst. Hier hast du Zeit zum Nachdenken. Und dann heiratest du einen anständigen Mann und schenkst ihm endlich die Enkelkinder, die er sich wünscht. So wie es sich für ein sittsames Weib gebührt.«
»Binich deshalb hier?«, nuschelte sie.
»Ja, ja, Schätzelein. Hier sollst du eine Weile bleiben und deine unzüchtige Beziehung zu diesem fremden Händler aufgeben. Er ist nichts wert, Liebelein. Ein Mann ohne Ehre, der dir nie die Ehe antragen wird. Das hat der Papa herausgefunden. Und darum bist du jetzt hier und darfst dich in Ruhe auf deine töchterlichen Pflichten besinnen. Komm, Liebschen, ich helfe dir auf das Lager, und dann machen wir einen kleinen Mittagsschlaf.«
Alyss ließ sich auf das Bett helfen und zudecken und versuchte, Durettas gierige Hände zu ignorieren, die wieder über ihre Brüste strichen. Endlich verließ die unangenehme Frau die Kemenate, und Alyss fuhr aus den Decken.
Lore hätte ihre Freude an dem Wortschwall gehabt, der leise von ihren Lippen quoll. Vermutlich hätte sie einiges lernen können.
Dann verrauchte die namenlose Wut allmählich, und Alyss begann, das neue Wissen einzuordnen.
Duretta war dumm, oder man hatte ihr ein völlig falsches Bild davon gemacht, wie Alyss zu ihren Eltern stand.
Ivo vom Spiegel mochte auf ihre Ehre bedacht sein, sie vor Fehlern behüten wollen und sie mit Strenge verwarnen. Nie im Leben würde er Entführer beauftragen, sie in einem Turm
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