Das Lied des Falken: Historischer Roman (German Edition)
Sohnes beigestanden, und es würde wohl ein weibliches Problem sein, das einer Untersuchung bedurfte. Sie nickte also und sagte Frau Ella ihren Besuch zu.
Später genossen sie und Denise die Dienstleistungen einer freundlichen Badermagd, und einigermaßen erholt kehrten sie in die Witschgasse zurück.
Marian unterhielt sich mit Robert und John im Kontor, und Catrin erfuhr, dass John die Hurenwirtin Wynfrida vergeblich aufgesucht hatte. Das Weib hatte vor Ostern die »Eselin« verlassen und war mit ihren Dirnen nach Deutz gezogen.
»Ich werde versuchen, sie ausfindig zu machen, wenn ich nach Dellbrück reite«, sagte John. »Versuchen wir weiter Mertens Aufenthaltsort zu finden.«
»Ihr glaubt, er weiß etwas über Alyss’ Verbleib?«, fragte Catrin.
»Er weiß zumindest eine ganze Menge, das er uns bisher verschwiegen hat«, erwiderte Marian, und seine Stimme klang ungewohnt verärgert. »Ich besuche später Mats.«
»Und Gislindis.«
»Ja, Gislindis auch.«
»Ich muss mich um Frau Ella kümmern, sie hat meinen Rat erbeten.«
»Wer ist Frau Ella?«
»Rentmeister Oldendorps Weib.«
»Das trifft sich, Mistress Catrin. Hat nicht Lucien den Unwillen des Rentmeisters erregt?«
»Oh, ja, natürlich. Das Pferd, das er ihm gestohlen hat – an dem Tag, als die arme Luitgard gefunden wurde.«
»Das Pferd borgte Lucien sich aus, als es im Hof hinter dem Hurenhaus stand. Erwähn es besser nicht«, warf Robert ein.
»Wenn du meinst. Aber wir Frauen wissen meist recht gut, auf welche Abwege sich die Männer begeben.«
Catrin legte ein frisches Gewand an und bat Frieder, sie zum Haus des Rentmeisters zu begleiten. Frau Ella empfing sie mit einer gewissen Erleichterung und führte sie in ihre Schlafkammer.
»Was bedrückt Euch, Frau Ella?«, fragte Catrin, als sie es sich in dem gepolsterten Sessel gemütlich gemacht hatte. »Seid Ihr guter Hoffnung?«
Das blasse, sommersprossige Gesicht rötete sich, und fahrig blickte die junge Frau um sich.
»Sieht man es schon?«
»Eine Hebamme vermutet es wohl. Gibt es Schwierigkeiten? Unwohlsein? Schmerzen?«
»Nein, nein, nur …«
»Ist Euer Gatte erbost darüber?«
»Nein, nein … Nein, er weiß es nicht.«
Catrin war lange genug Wehmutter, und die Anzeichen, die ihre Patientin zeigte, waren ihr geläufig.
»Ein anderer Mann zeugte das Kind, nehme ich an.«
Die Röte vertiefte sich, und Frau Ellas Finger verschränkten sich so heftig, dass die Knöchel knackten.
»Ich richte nicht, Frau Ella. Ich will Euch helfen.«
»Dann … dann macht es weg, Frau Catrin. Ihr wisst doch, wie das geht.«
»Nein, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, wie man lebende Kinder zur Welt bringt. Wart Ihr bei einer Engelmacherin?«
Ella sprang auf und lief in der Kammer umher. Dann blieb sie stehen und nahm ein Krüglein aus einem Kasten.
Catrin nahm es ihr ab, zog den Stopfen heraus und roch daran.
»Ein Extrakt vom Sadebaum. Sehr wirksam, um das Leben Eures Kindes zu beenden. Und das Eure dazu. Ist es das wert?«
Ella schluchzte auf.
Catrin stellte das Krüglein zur Seite und legte ihr den Arm um die Schultern.
»Nun, nun. Es ist besser, Ihr erzählt mir alles, und wir suchen einen anderen Weg, ja?«
Unter Tränen und Schniefen kam die kleine Geschichte heraus. Ella, von Oldendorp eher gleichgültig behandelt und oft genug betrogen worden, hatte einen jungen Mann kennengelernt, der ihr schöngetan und geschmeichelt hatte. Eins führte zum anderen, sie verabredeten sich im Haus einer Bekannten des Mannes und teilten das Lager.
»Habt Ihr Eurem Geliebten von dem Kind erzählt?«
»Nein, ich kann es Consta… – ihm nicht sagen.«
Catrin horchte auf.
»Constantin – ist das sein Name?«
»Ja«, hauchte Ella.
»Vamme Thurme etwa?«
Der Kopf zuckte hoch, schreckgeweitete Augen blickten sie an.
»Ihr kennt ihn?«
»Ich habe von ihm gehört.« Und das mehr als einmal. Ein Kribbeln durchfuhr Catrins Rückgrat. Und wenn Ella einst geglaubt hatte, dass Catrin, die sanfte Begine, ein zartfühlendes, mitleidiges Weib war, dann lernte sie jetzt die Stahlklinge kennen, die unter der weichen Hülle verborgen lag. Ella beugte sich schließlich dem Rat, das Kind auszutragen, denn Oldendorp war ein auf Schicklichkeit bedachter Mann, der seine Besuche bei den Huren gerne geheim halten wollte. Erpressung – ohne Zweifel, aber Catrin war sich sicher, dass notfalls Robert den Rentmeister davon überzeugen konnte, dass es die beste Lösung war, das Kind als das seine anzuerkennen, wenn
Weitere Kostenlose Bücher