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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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göttlich!«
    »Mehl!«
    »Salz!«
    »Cachaça!«
    »Milch! Sag mal, Lua, kannst du die Kuh melken? Ich hab’s versucht, aber entweder bin ich zu blöd dazu, oder das dürre Vieh ist so trocken wie die Chapada Diamantina im August.«
    »Ähm, nein. Das heißt, ich glaube, die Kuh hat keine Milch«, antwortete Lua, die nicht ganz nachvollziehen konnte, warum die beiden alltägliche Nahrungsmittel wie Zucker, Maniokmehl oder Milch so begehrenswert fanden. Würde sie selbst nach einer Weile hier draußen auch so wunderlich werden? Herr, bewahre!
    »Dann müssen wir sie wohl von dem ausgemergelten Stier bespringen lassen und hoffen, dass der alte zähe Kerl noch genügend Saft und Kraft hat«, sagte Bebel nüchtern, während Lua sich vor Scham wand.
    »Hier«, sagte Marilu und reichte Lua einen ledernen Blasebalg, den Caca hergestellt hatte. »Fach doch mal das Feuer an. Diese feuchten Zweige brennen sonst nicht ordentlich.«
    Lua war froh, dass sie eine Aufgabe zugeteilt bekommen hatte, der sie sich gewachsen fühlte. Wenn irgendjemand von ihr verlangen würde, einem erlegten Tier das Fell abzuziehen, würde sie in Ohnmacht fallen.
    Auch um die Wäsche würde sie sich kümmern können sowie um den kleinen Gemüseacker, auf dem bereits die ersten kleinen Maniok-, Aipim- und Zuckerrohrpflanzen sprossen. Immerhin einen Vorteil hatte es, überlegte Lua bitter, dass ihre erste Flucht so unglücklich geendet hatte. Nun war sie in der Lage, Arbeiten zu verrichten, von denen sie noch vor einigen Wochen geglaubt hatte, dass sie dafür zu gut war.
    Wenig später gesellten die Männer sich zu ihnen und nahmen schweigend ihr Frühstück entgegen, das aus einem gerösteten Stück Fleisch und einem winzigen Klacks Maniokbrei, serviert auf einem großen Bananenblatt, bestand. Sie schlangen ihr Mahl grunzend hinunter, und ihre gierigen Blicke und ein gelegentliches lobendes »hm« verrieten, wie sehr es ihnen schmeckte. Endlich einmal wieder gesalzenes Fleisch und ein sättigender Brei!
    Auf den Zuckerrohrschnaps hatten sie am Vorabend verzichtet, weil Zé und Lua zu müde gewesen waren, um an einem kleinen Fest teilnehmen zu können. Aber an diesem Abend würden sie sich etwas von dem kostbaren Schnaps gönnen, und die erwartungsvolle Stimmung war deutlich spürbar. Es wäre schön, nach langer Zeit wieder einmal zu feiern, mit allem, was dazugehörte: mit Cachaça und Musik, mit Weibern und Tanz, mit schmackhaftem Essen und dem guten Gefühl, dass es mit Liberdade aufwärtsging.
    Obwohl niemandem der Sinn so recht nach Arbeit stand, machten die Männer sich bald auf zur Jagd. Immerhin galt es, am Abend etwas wirklich Feines zu essen. Mit einem zähen Papagei brauchten sie sich bei den Frauen nicht blicken zu lassen. Ihr Ehrgeiz war angestachelt, denn mindestens ein Tatu oder sogar ein Capivara sollten sie schon mitbringen. Die Frauen waren ähnlich gelöster Laune. Obwohl sie viel mehr Lust hatten, müßig herumzusitzen und Lua nach Klatsch und Tratsch auszuquetschen, waren sie doch zugleich erfüllt von einer hoffnungsfrohen Energie. Sie würden ihr Dörfchen so hübsch herausputzen wie schon lange nicht mehr, und sie würden endlich einmal lange aufgeschobene Flickarbeiten an ihrer Kleidung vornehmen – Zé hatte doch tatsächlich auch an Nadeln und Garn gedacht! Heute wollten sie sich schön machen für die Männer.
    Caca war der einzige Mann, der nicht mit zur Jagd ging. Er war in der Siedlung viel nützlicher, und auch an diesem Tag würde er seinen Erfindungsgeist und sein handwerkliches Geschick in den Dienst von Liberdade stellen.
    »Wwwwir bbrauchen eeeinen Pfpflug.«
    »Das stimmt«, pflichtete ihm Bebel bei. »Dann können die Rindviecher das Pflügen an unserer statt übernehmen. Aber muss das unbedingt heute sein?«
    Caca nickte und deutete mit vielsagender Mimik an, dass er den Tag möglichst nicht in Gesellschaft der Neuen verbringen wollte. Seine Schwester durchschaute ihn sofort: Caca hatte sich in Lua verguckt, und nun würde er sich lieber in einer stillen Ecke mit seiner neuesten Aufgabe beschäftigen, als sich der Schmach auszusetzen, noch schlimmer als sonst zu stottern.
    Lua beobachtete die beiden, die man ihr als Geschwister vorgestellt hatte. Die arme Bebel, dachte sie, die muss sich auch noch um einen schwachsinnigen Bruder kümmern. Da hatte sie selbst es doch besser, auch wenn es ihr nicht so erscheinen wollte. Das elende Dörfchen, das zähe Fleisch mit dem fremdartigen Geschmack, die zerlumpten

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