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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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besser verstehen wollte? Wie auch immer – Lua fühlte sich unwohl unter den lauernden Blicken. Nach kurzer Zeit entwand sie sich Zés Umarmung und setzte sich auf die Bank.
    Wie hätte sie auch ahnen können, dass die anderen nur über alle Maßen fasziniert waren von dem Anblick, den Lua und Zé boten? Ein so schönes Paar hatte keiner von ihnen je zuvor gesehen. Er, mit dem athletischen Körper und dem stolzen Gesicht, sie, mit der zarten Gestalt und dem engelsgleichen Antlitz, und beide zusammen, vereint in einem Tanz von unnachahmlicher Harmonie und seltsam erregender Kraft: Das sorgte für Bewunderung und Neid gleichermaßen. Alle außer Lua mussten unweigerlich daran denken, wie wohl die intimeren Begegnungen zwischen den beiden verlaufen würden, wenn schon der Tanz so leidenschaftlich war.
    Irgendwann war der Schnaps geleert, ihr Musikrepertoire erschöpft, sie alle waren müde. Man beschloss, dass es ein herrlicher Abend gewesen sei, den man unbedingt bald wiederholen müsse, und ging schlafen.
    Zé legte den Arm um Luas Hüfte und führte sie, eng an sich gedrückt, zu seiner Hütte.
    Ihr heftiges Herzklopfen hörte er nicht – wohl aber sein eigenes.

31
    E ulália Maria Catarina Almeida de Oliveira, so ihr vollständiger Name nach der Hochzeit, vergoss bittere Tränen in ihr mit Lavendel parfümiertes Kopfkissen. So hatte sie sich das Leben als Ehefrau gewiss nicht vorgestellt. Rui Alberto, ihr junger Gemahl, fiel allnächtlich mit so tierischer Inbrunst über sie her, dass sie sich fühlte wie eine Kuh, die in Duldungsstarre das Toben des Stiers über sich ergehen ließ. Darauf hatte sie niemand vorbereitet. Man hatte ihr in beschönigenden Worten erklärt, dass die Männer gewisse Bedürfnisse hätten und sie als Frau verpflichtet sei, diese zu erfüllen. Dass ihr Bräutigam zur Bestie wurde, das war nie Teil der Aufklärung gewesen. Und auch nicht Teil ihrer Träume. Sie hatte davon phantasiert, wie er sie küsste und streichelte – aber dass er in sie hineinstieß wie ein Wahnsinniger, sie kniff und biss und an den Haaren riss, das hätte sie sich niemals träumen lassen. Es war widerlich.
    Aber die Nächte waren ja noch gar nichts im Vergleich zu den Tagen. Ihr Gemahl glänzte meistens durch Abwesenheit, weil er sich nun, seiner neuen Würde als frischgebackener Ehemann verpflichtet, berufen fühlte, das Zepter auf Três Marias an sich zu reißen. Eulália blieb in der Casa Grande, schutzlos den Bösartigkeiten ihrer Schwiegermutter ausgesetzt. Sie hatte sich zuvor mit großer Vorfreude ausgemalt, wie es sein würde, selbst die Senhora zu sein und nicht immer nur die Sinhazinha. Aber hier galt sie ja noch weniger als daheim auf São Fidélio. Da war sie wenigstens die Tochter des Hauses gewesen. Hier war sie nur die Schwiegertochter. Dort hatte sie sich ausgekannt und hatte beim Personal Respekt genossen – hier war sie fremd, und solange Dona Filomena ihr nicht mehr Spielraum gewährte, würde sich daran auch so schnell nichts ändern. Sie erhielt keinen eigenen Schlüsselbund, durfte ohne Begleitung nicht den Weinkeller oder die Vorratskammer betreten – als sei sie eine Diebin, also ehrlich! – und hatte keinerlei Verfügungsgewalt über Wäsche, Sklaven oder sonst irgendetwas. Man behandelte sie wie ein dummes Mädchen, das zu Besuch war, und nicht wie die zukünftige Hausherrin.
    Und es würde sicher noch geraume Zeit dauern, bis Dona Filomena und Dom Afonso sich ablösen ließen. Sie waren erst Mitte vierzig und konnten gut und gerne weitere zwanzig Jahre auf Três Marias regieren. Bei diesem Gedanken stiegen Eulália neue Tränen hoch, und verzweifelt warf sie ihren Kopf in das Kissen. Wenn wenigstens Lua da gewesen wäre! Zumindest eine Verbündete hätte sie dann gehabt, einen einzigen Menschen, dem sie sich anvertrauen konnte.
    Dona Filomena hatte ihr eine ihrer eigenen Zofen zur Seite gestellt. Ein nettes Mädchen, sicher, aber ganz bestimmt keine Gesprächspartnerin, mit der sie über ihre Nöte hätte reden können. Die Sklavin, die zu allem Überfluss auch noch Maria Imaculada hieß, von Eulália aber Mariaíma genannt wurde, war mit großer Wahrscheinlichkeit eine Spionin der Hausherrin. Es war demütigend zu wissen, dass über jeden Pickel, jede Unpässlichkeit und auch über jede Körperflüssigkeit, die sich auf Laken oder sonst wo fand, sogleich Bericht an Dona Filomena erstattet wurde.
    Bestimmt wollte ihre Schwiegermutter immer auf dem Laufenden sein, was die

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