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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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sich mit Kokosnüssen zu versorgen. Als sie diese geöffnet hatte, setzte sie sich zum Frühstücken hin. Mit großem Appetit verputzte sie die Reste der Leckereien, die Kasinda ihr mitgebracht hatte. Sie betete, dass es stimmte und die Sinhá Eulália sie besuchen würde, hoffentlich schwer bepackt mit Köstlichkeiten aus der Casa Grande.
    Es dauerte zwar noch geraume Zeit, doch sie kam.
    Von dem Marsch in dem Sandstreifen, der gleich unterhalb der Vegetationslinie trocken und weich war, war sie verschwitzt und atemlos. Doch ihr Gesicht strahlte vor Begeisterung. Sie wirkte wie ein kleines Mädchen, das den Erwachsenen erfolgreich einen frechen Streich gespielt hat, und in Wahrheit verhielt es sich ja auch so ähnlich.
    »Jesus und Maria«, stöhnte sie, »es ist schon so früh am Morgen einfach zu heiß für solche Abenteuer. Und dann diese blöde Flut! Der weiche Sand sieht ja hübsch aus, aber wehe, man muss hindurchstapfen! Und das alles mit diesem Gepäck!« Damit ließ sie einen großen Beutel auf den Boden fallen, den sie über ihre Schulter geworfen auf dem Rücken getragen hatte.
    Luas Mitleid hielt sich in Grenzen. Ihre einstige Herrin hätte sich ja auch einmal nach ihrem, Luas, Befinden erkundigen können, die sie eine ungleich längere Strecke hinter sich und noch dazu die Nacht allein im Freien verbracht hatte. Aber was sie sagte, war: »Ihr seid zu bedauern! Kommt, Sinhazinha, setzt Euch hin, ich massiere Euch die Füße.«
    Sie kam der Aufforderung zögernd nach, als habe sie Hemmungen, Lua diese Art von Verrichtung ausüben zu lassen. Das erschien der jungen Schwarzen merkwürdig, denn früher hatte Eulália solche Bedenken nie an den Tag gelegt. Schließlich aber streckte sie ihr einen Fuß hin, den Lua auf ihren Schoß legte und sanft knetete.
    »Willst du nicht erst etwas essen?«, fragte sie, als sei ihr auf einmal wieder eingefallen, dass sie ja zu Luas Rettung hierhergekommen war und nicht zu ihrem eigenen Vergnügen.
    »Nein danke, Sinhazinha, ich habe schon gegessen.«
    »Aber sieh nur, was ich alles ergattert habe.« Sie drehte sich, um ihren Beutel erreichen zu können, wobei ihr Fuß fast von Luas Schoß fiel. Man merkte ihr an, dass sie stolz auf ihre Leistung war und nach Lob verlangte. »Hier: Kaffee und Zucker! Bohnen,
farinha
und Reis! Und … was ist? Warum schaust du so unglücklich drein?«
    »Es ist wunderbar, was Ihr alles mitgebracht habt. Aber, versteht mich nicht falsch, Sinhazinha, wie soll ich es hier zubereiten? Ohne einen Topf, ohne Süßwasser und ohne Feuer machen zu können?«
    Eulália glotzte Lua entgeistert an. »Willst du dich auch noch beschweren?«
    »Nein, Sinhazinha, es ist nur, dass ich …«
    »Vielleicht haben meine Eltern doch recht, und ihr seid alle nur ein Haufen verwöhnter Kindsköpfe. Von dir hatte ich wirklich etwas anderes erwartet.« Dann brach sie in Tränen aus.
    Eulália heulte eine halbe Stunde lang so heftig, dass die einzelnen Satzbrocken, die sie zwischen ihren Schluchzern ausstieß, kaum zu verstehen waren. Lua reimte sich ihr Gestammel so zusammen, dass sie letzte Nacht von ihrem Mann sehr grob behandelt worden war und dass ihre Schwiegereltern sie am Morgen einer entwürdigenden Befragung unterzogen hatten, wohin es sie denn zu einer so unchristlichen Zeit ziehe. »Hauptsache, weit fort von Euch!«, hatte sie darauf patzig geantwortet und war aus dem Haus gestürmt, begleitet von den Rufen ihrer Schwiegermutter, dass ihr schlechtes Betragen ein Nachspiel haben werde.
    »Schlechtes Betragen, Lua! Ich werde von ihnen abgekanzelt wie ein Kind vom Schulmeister.«
    »Scht, Sinhazinha«, hauchte Lua und wiegte sie in ihren Armen. »Alles wird wieder gut.«
    Doch daran glaubte Lua im Grunde selbst nicht. Es beunruhigte sie, dass die Sinhá vor aller Augen zu ihren Ausflügen aufbrach. Irgendwann würde ihr jemand folgen, und diese Person würde unweigerlich auch sie finden. Der trockene Sand, durch den die Flut einen zu gehen zwang, wurde praktisch niemals vom Wasser überspült, Spuren hielten sich darin eine Ewigkeit. Und diese zu vernichten wäre bei der Länge der Strecke sinnlos gewesen, abgesehen davon, dass laienhaft verwischte Spuren ja ebenso verräterisch waren.
    Eulália schniefte und jammerte weiter: »Lua, ich halte das nicht mehr aus! Am liebsten würde ich mit dir zusammen hier am Strand kampieren, nur wir zwei, ohne lästige Schwiegermütter oder Ehemänner. Wir würden jeden Tag ein erfrischendes Bad im Meer nehmen, bei Ebbe,

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