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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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würden schöne Spaziergänge machen und uns von dem ernähren, was die Natur so hergibt.«
    »Kokosnüsse und rohe Fische«, warf Lua ein, doch die andere störte sich nicht weiter daran.
    »Apropos«, rief sie enthusiastisch aus, »ich habe auch Honigbonbons und
doce de leite
dabei!«
    Sie machten sich über die Süßigkeiten her, als hätten sie seit Wochen nichts zu essen bekommen, und Eulália erzählte Lua mit vollen Backen, was sich auf São Fidélio und Três Marias während ihrer Abwesenheit alles zugetragen hatte. Ihr Redefluss war dabei ebenso atemlos wie zuvor ihr Weinkrampf, zusammenhanglos und unverhältnismäßig lang. So inhaltsleer er war, so viel sagte er Lua doch über Eulálias Gemütszustand: Sie war todunglücklich.
    »Carlos hat uns seine Braut vorgestellt, stell dir vor. Ich wusste gar nicht, dass er auf Freiersfüßen wandelt, es kam ziemlich überraschend. Nun, sie wird ihn vielleicht bändigen, denn er führt ein ungesundes Leben in Salvador, das sieht man gleich. Er ist dick geworden, und er hat komische rote Flecke überall. Meine Eltern waren sehr angetan von der jungen Frau, die ziemlich unscheinbar und gar nicht Carlos’ Typ ist. Manuel hat gleich behauptet, an ihr sei doch nur ihre Mitgift interessant. Das ist mal wieder typisch für ihn, er kann an nichts anderes als an Geld denken, mein kleiner Bruder. Na ja, so klein ist er nun auch wieder nicht. Aber wem sage ich das, du kennst ihn ja selbst. In den paar Wochen, in denen du weg warst, ist er nicht mehr nennenswert gewachsen. Mein Vater hätte ihm für diese freche Bemerkung beinahe eine Ohrfeige verpasst, aber er hat es dann bleibenlassen. Dafür erhielt Lulu kurz darauf eine ordentliche Abreibung, weil er beim Lauschen erwischt wurde. Mein Vater hat ihm die Ohren langgezogen, im wahrsten Sinne des Wortes, denn bei seinem linken Ohr ist das Ohrläppchen eingerissen. Er schrie wie am Spieß, und damit er endlich damit aufhörte, hat Fernanda ihm eine runtergehauen. Es war grausam von ihr, aber sehr wirkungsvoll. Der dumme Kerl hatte beides verdient. Ich kann ihn nicht ausstehen. Sie wollten ihn mir als Hochzeitsgeschenk mitgeben, aber das wusste ich zu verhindern. Ach, Lua, wie gern hätte ich dich mitgenommen nach Três Marias, wie viel erträglicher wäre es dort, wenn ich eine Freundin hätte! Ich hatte keine Menschenseele, der ich mich nach der Hochzeitsnacht hätte anvertrauen können, und glaub mir, ich hätte dringend eine Schulter zum Ausheulen benötigt. Es war nämlich scheußlich. Aber wem sage ich das, du hast ja selber inzwischen einem Mann beigewohnt, oder nicht?«
    Sie sah Lua erwartungsvoll an. Lua wusste nicht, ob Eulália wirklich glaubte, sie sei in der Stimmung, mit ihr über intime Details zu plaudern. Ihr wurde plötzlich schwarz vor Augen, und sie hörte ihre Stimme wie aus weiter Entfernung. Es gelang ihr gerade noch, sich zu erheben und ein paar Schritte in Richtung Gebüsch zu laufen, wo sie sich mit einem ekligen Schwall erbrach. Schlagartig ging es ihr besser. Es war ihr sehr unangenehm, vor der Sinhazinha einer so hässlichen körperlichen Regung nachgegeben zu haben, aber es ließ sich ja nun nicht mehr ändern.
    »Ich glaube, es waren die Süßigkeiten«, entschuldigte Lua sich. »Ich hatte seit Wochen keinen Zucker mehr genossen.«
    »Nicht, dass dir von meinem Bericht schlecht geworden ist«, sagte Eulália spitz.
    Beschämt senkte Lua den Blick. »Es tut mir leid, Sinhazinha.«
    »Bist du in anderen Umständen?«
    »Wie bitte?«
    »Du hast mich schon verstanden. Also bist du, oder bist du nicht?«
    »Ich weiß es nicht«, gab Lua zu und machte ein unglückliches Gesicht. »Es … es wäre möglich.«
    Daraufhin brach die Sinhazinha abermals in Tränen aus. »Es ist so ungerecht! Ich werde belauert und ausspioniert, ich bekomme eine besondere Diät und gute Ratschläge, ich lasse mich allnächtlich von diesem Tier Rui Alberto bespringen, aber nichts passiert. Und bei euch Negern klappt es gleich beim ersten Mal.«
    »Ich gäbe viel darum, wenn es umgekehrt wäre«, gab Lua zu bedenken. »In meiner derzeitigen Lage kommt mir ein Kind nicht gerade gelegen.«
    Eulália sah Lua in einer Mischung aus Neid und Erschrecken an. »Oh, verzeih mir, Lua. Ich bin manchmal so gedankenlos. Also, wo war ich stehengeblieben? Ich glaube, bei der furchtbaren Köchin auf Três Marias, die …«
    Lua hörte nur noch mit halbem Ohr hin. Die Sinhazinha setzte ihre Erzählung fort. Sie gab Belanglosigkeiten denselben

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