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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Fidélio gab es einen Burschen, der schon mit 16 Vater geworden war. Man wusste ja nie.
    »Du suchen Rico und Uanhenga … Beto.«
    »Was?« Lua hatte sie natürlich sehr gut verstanden.
    »Du suchen mein Nachfahren. Du erzählen Geschichte von Kasinda.«
    »Das kann ich nicht. Wie sollte ich das deiner Meinung nach anstellen? Ha! Glaub mir, ich würde lieber heute als morgen von hier fortgehen, in die neue Hauptstadt Rio de Janeiro. Es heißt, es sei eine wunderbare Stadt. Ich …« Hier hielt Lua inne, denn sie bemerkte, dass Kasinda ihr anscheinend gar nicht zuhörte.
    Die Alte fuchtelte an ihrem welken Dekolleté herum und förderte schließlich ein abgegriffenes Ledersäckchen zutage.
    »Du und Mbómbo kaufen Freiheit. Dann gehen fort. Dann kaufen Freiheit für Kasinda Nachfahren.«
    Lua musste laut auflachen. Was auch immer Kasinda für Schätze in ihrem Lederbeutel verbarg, es wäre nie und nimmer ausreichend, um vier junge Erwachsene damit auszulösen. Ihr fiel das Goldherz ein sowie der Stein, den Kasindas Mann für sie in der Mine entwendet hatte. Das wäre doch bei weitem nicht ausreichend, oder?
    Kasinda wog den Beutel in ihren Händen, wobei der Inhalt klirrte. Sie sah Lua bedeutungsschwanger an, bevor sie das Band aufschnürte und das Säckchen auf ihrem Schoß auskippte.
    Lua stockte der Atem. Ein Goldherz war da keines zu sehen, wohl aber ein riesenhafter Rohsmaragd, außerdem zahlreiche Goldmünzen sowie mehrere Schmuckstücke, die mit Edelsteinen und Perlen besetzt waren und sehr kostbar aussahen.
    »Meine Güte, Kasinda! Woher hast du das alles?«
    »Smaragd von Muhongo. Kleine Anhänger von Sinhô Sebastião. Goldmünzen von José. Brosche von Dona Isabel, Mutter von Dom Felipe, gut Frau. Andere Schmuck von Nzinga, mein Tochter.«
    Lua war sprachlos. Staunend ließ sie ihre Finger durch den Schatz gleiten, der da so unpassend auf Kasindas grober Schürze lag. Wie hatte diese Frau ein solches Vermögen anhäufen können, ohne jemals für sich selbst davon zu profitieren?
    Kasinda ahnte wohl, welche Frage Lua beschäftigte, denn sie antwortete ihr: »Immer haben Angst, dass Finger werden abgehackt.«
    »Du hattest Angst, dass man dich des Diebstahls bezichtigen würde?«
    Die Alte nickte.
    »Aber wenn deine Tochter dir ihren Schmuck hinterlassen hat, dann hättest du dieses Erbe doch zu deiner Entlastung anführen können. Ich meine, der Smaragd und die anderen Sachen hätten doch auch von ihr stammen können, oder?«
    »Aber Nzinga war Freudenmädchen. Nicht erlaubt, unsaubere Geld vererben. Hat José gegeben, geheim.«
    »Hast du deine Tochter eigentlich noch einmal gesehen?«, fragte Lua.
    Traurig schüttelte Kasinda den Kopf und erklärte ihr, dass sie nie die Möglichkeit gehabt habe, nach Salvador zu kommen, und dass Nzinga es vorgezogen habe, sie nicht zu besuchen, um ihr keine Schande zu machen. »Schande, pah!«, rief sie aus. »Kasinda stolz auf schön, klug Tochter!«
    »Ja, du kannst bestimmt stolz auf sie sein«, sagte Lua leise. Dann, wie um die Wehmut zu überspielen, fuhr sie in geschäftigem Ton fort: »Woher willst du wissen, dass man mir nicht die Finger abhackt, wenn ich deine Kostbarkeiten hervorhole?«
    »Du haben Eulália.« Sie sah, dass Lua sie nicht ganz verstanden hatte, und erläuterte: »Ist dumme Senhorita. Und ist ehrliche Senhorita.«
    Aha. Lua musste noch immer verständnislos dreingeschaut haben, denn ungeduldig erklärte ihr Kasinda nun ihren Plan. Ihr Portugiesisch schien sich dabei minütlich zu verschlechtern, als sei sie im Geiste schon bei den Ahnen und wolle sich nun bald wieder in ihrer Muttersprache mitteilen. Lua solle, so sagte sie, die Sinhá Eulália bitten, einen Teil der Geschmeide in der Stadt zu Geld zu machen. Mit diesem Geld solle sie Zé bei Dom Felipe auslösen und Lua bei ihrem Gemahl Rui Alberto, der über ihre Vermögenswerte bestimmen durfte, also auch über Lua.
    Auf Luas Einwand, Eulálias Vater und ihr Ehemann könnten sie gar nicht verkaufen wollen, grinste Kasinda schief. »Gibt besser Geschäft? Viel Geld nehmen, weggelaufene Sklaven geben.«
    Lua lachte. Das stimmte allerdings. In ihrer Gier würden beide Männer zustimmen, denn aus einem entflohenen Sklaven auch noch Profit zu schlagen, das wäre wirklich einmal etwas Neues für sie. Sie würden nicht widerstehen können.
    Aber was war mit Eulália? Würde sie dem Druck standhalten, dem sie zweifellos ausgesetzt wäre? Ihre Eltern, ihr Mann und ihre Schwiegereltern würden sie mit

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