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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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überreichte. »Eure Freilassungsurkunden.«
    Lua entrollte sie sogleich, überflog sie und las die entscheidende Stelle laut vor, damit auch Zé erfuhr, was dort in der markanten Handschrift von Dom Felipe geschrieben stand: »Die Mulattin Maria Luisa ›Lua‹ Oliveira, geboren auf der Fazenda São Fidélio am 5. Mai im Jahre des Herrn 1744, erhält mit sofortiger Wirkung und ohne Einschränkungen die Rechte einer Freien.«
    Lua weinte. Sie warf sich an Zés Brust und ließ sich von ihm festhalten. Sie spürte, dass auch er kurz davor war, in Tränen auszubrechen.
    »Vorsicht«, rief Eulália, »ihr zerdrückt ja noch die kostbaren Urkunden!«
    Lua löste sich aus Zés Umarmung und fiel dann Eulália in die Arme. »Danke, danke, danke!«, schluchzte sie, selig vor Erleichterung und halb schwindelig vor Glück.
    »Danke, Dona Eulália«, sagte endlich auch Zé.
    »Gern geschehen, Seu Zé«, kam es von ihr zurück. Sie wollte sich ihre Rührung nicht anmerken lassen, aber es ließ sich kaum verhindern. Ihre Stimme zitterte verdächtig. Dann griff sie abermals in ihre Tasche und holte einen kleinen Beutel heraus.
    »Ich will euch nur ungern die Illusion rauben, ihr wärt unbezahlbar. Ich fürchte nämlich, ihr habt weniger gekostet, als euch lieb sein kann. Aber einen Vorteil hat diese mangelnde Wertschätzung ja durchaus.« Sie reichte Zé den Beutel. »Na los, schau schon nach!«
    Er kippte sich den Inhalt in seine geöffnete Hand. Sie staunten nicht schlecht: Es befanden sich noch drei Milreis in Goldmünzen darin, genügend Geld, um die Schiffsreise nach Rio de Janeiro und mehrere Monate lang die Kosten für ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
    »Ich habe gefeilscht wie ein Fischweib«, brüstete Eulália sich mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme. »Es ist ja sehr unfein, sich selber zu loben, aber ich muss das jetzt einfach loswerden.«
    Sie zögerte, als warte sie auf eine Aufforderung, weiterzusprechen.
    »Bitte, tut Euch keinen Zwang an. Wir werden Euch zweifellos nicht für unfein halten«, tat Zé ihr dann auch den Gefallen. »Im Gegenteil: Eine feinere Dame als Euch kenne ich nicht. Na ja, jedenfalls keine weiße.«
    Sie lachten gemeinsam, und dieses Lachen löste die Spannung zwischen ihnen. Munter fuhr Eulália mit ihrer Geschichte fort.
    »Ja, also, es hat mir sogar richtig Spaß gemacht, dieses Gefeilsche, ob ihr’s glaubt oder nicht. Ich denke, dass an mir vielleicht doch eine ganz gute Händlerin verlorengegangen ist. Und Manuel, mein jüngerer Bruder, denkt das auch. Er hat mein Verhandlungsgeschick gelobt und meine Härte, und selten habe ich mich so über ein Kompliment gefreut. Aus seinem Mund ist so etwas praktisch ein Ritterschlag, denn er ist ja unbestritten derjenige in der Familie, der den ausgeprägtesten Geschäftssinn hat. Wer weiß, eines Tages, wenn ich auch Dona Filomena von meiner neu entdeckten Begabung überzeugt habe, kann ich vielleicht mehr Einfluss auf die Geschicke der Fazenda nehmen.«
    »Und auf das Los der Sklaven«, ergänzte Zé.
    »Richtig, und auf das Los der Sklaven. Ich würde sie selbstverständlich nicht alle in die Freiheit entlassen, das nun nicht gerade. Aber ich würde dafür sorgen, dass sie unter menschenwürdigen Bedingungen leben können. Und ich würde niemals Familien auseinanderreißen, indem ich Kinder von ihren Müttern weg verkaufe oder Männer von ihren Frauen. Das fand ich immer schon abscheulich.« Ihr Gesicht verzog sich zu einer angewiderten Miene, bevor sie sich schüttelte und dann in betont fröhlichem Ton fortfuhr: »Ach, reden wir über etwas Schöneres.«
    »Ich finde nicht, dass …«, begann Zé, doch Lua hinderte ihn daran, weiterzusprechen, indem sie ihre Hand beschwichtigend auf seinen Unterarm legte. Sie ahnte, dass er irgendetwas Politisches zu diesem Thema beizutragen hatte, hielt aber den Zeitpunkt für unangemessen.
    »Und was macht ihr nun mit eurer Freiheit? Wo geht ihr hin? Wollt ihr wirklich nach Rio de Janeiro, unsere neue Hauptstadt?«
    Lua nickte. Sie hatte Eulália natürlich nicht in alle Details ihres Plans eingeweiht. Weder wusste sie, dass sie über weitere Goldreserven verfügten, noch, dass sie Kasindas Enkel freikaufen wollten. Lua hatte ihr einzig erzählt, sie würden ihn aufsuchen und ihm ein Geschenk seiner Großmutter überreichen wollen. Das wiederum hatte Lua getan, um den Wohnort von Eulálias Schwägerin in Erfahrung zu bringen, denn dieser hatte der junge Bursche ja zuletzt gehört. Ob er dort noch zu

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