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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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glaubte wohl, leichtes Spiel mit mir zu haben. Er dachte bestimmt, er habe eine junge Ehefrau vor sich, die erpresst wird, die ihren Liebhaber aushalten muss oder die in eine vergleichbare Notlage geraten ist. Ich aber hielt den Kopf hoch erhoben und sagte, ich sei in Eile, mein Gemahl warte draußen, und er, also der Pfandleiher, möge mir bitte zügig ein vernünftiges Angebot unterbreiten, ohne überflüssige Spielchen mit mir zu spielen. Sein Gebaren änderte sich daraufhin schlagartig. Er begutachtete den Schmuck und die Münzen und bot mir fünf Milreis dafür an. Ich habe wortlos alles wieder eingesammelt und mich erhoben, als wollte ich gehen. ›Also schön, sieben‹, bot er an, und ich lachte ihn aus. ›Hört mir zu, liebe Dona Eulália‹, sagte er, denn er kannte mich – und meinen Bruder eigentlich auch, aber der saß ja, schlecht sichtbar, draußen in der Kutsche –, ›meine liebe Freundin, Ihr wisst, dass ich Euch nicht den wirklichen Wert dieser Stücke auszahlen kann. Sie sind schwer verkäuflich, und eine gewisse Gewinnmarge müsst Ihr mir auch zugestehen.‹ Ach, Lua – und Zé –, es war köstlich! Er wand sich und redete jede Menge Unsinn. Schließlich wurden wir uns bei neun Milreis handelseinig. Neun! Was sagt ihr dazu?«
    Lua sagte gar nichts dazu. Sie war sprachlos. Sie hatten mit höchstens fünf Milreis gerechnet, und Eulália hatte fast das Doppelte erzielt. Das war … grandios! Zé klatschte langsam in seine Hände. Sein einsamer, spöttischer Applaus war völlig unangemessen, wie Lua fand, und sie stieß ihn in die Rippen, damit er aufhörte, was er dann auch tat.
    »Wundervoll! Das habt Ihr großartig hinbekommen«, sagte Lua, als sie ihre Sprache endlich wiedergefunden hatte. »An Euch ist eine gewiefte Händlerin verlorengegangen.«
    Eulália strahlte übers ganze Gesicht, als sie weitererzählte. »Nicht wahr? Und es kommt noch viel besser. Der schwierigere Teil des Unterfangens war ja eigentlich, meinen Vater und meinen Gatten zum Verkauf zweier Sklaven zu bewegen, über deren Verbleib nichts Genaues bekannt war.«
    »Und?«, drängelte Lua. Hier begann es, wirklich spannend für sie zu werden. Hatte sie ihrer beider Freiheit nun kaufen können oder nicht?
    »Und … es war sehr heikel. Mein Vater, also Dom Felipe, war rasend vor Wut, als ich ihm zu verstehen gab, dass ich wusste, wo ihr euch verborgen haltet. Aber ich bin nicht eingeknickt. Er hat eine Menge Verwünschungen und Drohungen ausgestoßen, aber je zorniger er wurde, desto gelassener wurde ich selbst. Es hat mich regelrecht amüsiert, seinem Wutausbruch zuzusehen und zu wissen, dass er nichts, aber rein gar nichts gegen mich unternehmen konnte.«
    »Nun ja, er hätte Euch ja …«, warf Lua ein, wurde aber sogleich unterbrochen.
    »… auspeitschen lassen können?« Sie sah kurz zu Zé hinüber, der aber verzog keine Miene. »Wohl kaum. Auch Rui Alberto, mein geliebter Gemahl, war sehr erbost über mein Ansinnen. Am meisten aber ärgerte ihn, dass er nie von dieser großen Geldsumme erfahren hatte, die ich da auf den Tisch legte. Nachdem ich angedeutet hatte, dass ich über noch viel mehr verfügte, wurde er plötzlich ganz zahm.« Eulália lachte bei der Erinnerung in sich hinein. »Es ist ganz erstaunlich, wie viel Respekt man sich verschaffen kann, wenn man über etwas verfügt, das andere haben wollen, sei es Geld oder sei es Wissen. Beziehungsweise wenn man auch nur vorgibt, darüber zu verfügen. Ich werde mir das für die Zukunft merken.«
    Zé begann, ungeduldig mit einem Fuß zu wippen, und diesmal verstand Eulália das Zeichen.
    »Also, um es kurz zu machen: Es war schließlich mein kleiner Bruder, der übrigens neuerdings mit meinem lieben Gemahl ein Geschäft mit Kokosfasern aufziehen will, hält man das für möglich?, es war also Manuel, der mit seiner messerscharfen Logik die anderen beiden Männer davon abhielt, mich zu schütteln, zu verprügeln oder unter Hausarrest zu stellen. ›Es ist doch ein äußerst vorteilhaftes Geschäft‹, sagte er. ›Ihr bekommt das Geld, müsst aber die Ware nicht liefern, sondern nur zwei Urkunden ausstellen. Ich wünschte, beim Zucker wäre das einmal so.‹ Und damit war es beschlossene Sache.«
    »Es hat also geklappt?«, rief Lua dazwischen.
    »Und ob.« Eulália kramte in ihrer großen Tasche herum und holte schließlich zwei Papierrollen daraus hervor. Sie imitierte mit der Stimme eine Fanfare, bevor sie Lua eines der Dokumente und Zé das andere

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