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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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beide Dinge und lasse sie in meinem Beutel fallen, ziehe die Kordel fest zu.
    Als der Gong erneut ertönt, lasse ich diese Leute hier zurück, verloren im Vergessen.
    Sechs Gegenstände. Das Spiel ist fast vorüber. Und dann muss ich mich entscheiden. Nicht zwischen Wills Sicherheit und der meiner Mutter. Das werde ich nicht akzeptieren. Ich werde mich entscheiden müssen, wie ich den Prinzen töten werde. Sofern mein Vater ihn nicht vor mir erreicht.
    Der Raum, den ich betreten habe, ist vollkommen weiß.
    Die Musik ist ruhig, wirkt aber nach der Stille im letzten Zimmer laut. Die Musiker spielen Sitars und Violinen. Ich stelle mir vor, dass das Mädchen vom Debauchery Club hier ist und über Selbstmord singt. Die Tänze in diesem Raum sind ungezwungen, die Menschen wiegen sich zur Musik, kommen sich so nah, dass es kaum noch schicklich ist. Mutter würde es nicht gutheißen.
    Will – der echte Will – steht auf der anderen Seite des Raumes. Mir bleibt einen Moment das Herz stehen. Als es weiterschlägt, schmerzt es. Es schlägt wild. Will trägt eine formelle Samtjacke mit Brokatbordüren. Darunter trägt er allerdings das Gleiche wie damals, als er uns im Club untersucht hat – eine dunkle Hose und ein schmal geschnittenes Hemd. Keine Weste und keine anderen modischen Ergänzungen. Er mustert den Raum und die Tänzer. Er sucht mich.
    Er sieht mich, bevor ich bei ihm bin, und vor Erleichterung überwältigt bleibe ich ein paar Schritte entfernt von ihm stehen. Ich bin zu verwirrt, um etwas sagen zu können. Er trägt die gleiche dunkle Maske wie all die anderen Männer, aber bei ihm sieht sie hinreißend aus.
    Ich sehe seinen ungeschützten Mund an. Und dann ist es unmöglich, mich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren.
    Wir stehen nur einen kurzen Moment da, aber es fühlt sich so lang an, dass ich anfange zu glauben, er werde mich nie wieder berühren. Schließlich legt er seine Hände auf meine Schultern und zieht mich zu sich heran. Sein Daumen streichelt meinen Halsansatz, aber er achtet sorgsam darauf, die Schürfwunden nicht zu berühren.
    Unsere Masken stoßen aneinander, und eine der Pfauenfedern schwebt langsam zu Boden.
    Dann wird der Augenblick unterbrochen, als das Läuten der schrecklichen Uhr durch den Raum schallt. Die Wände und der Boden erzittern von dem Geläut, das lauter ist und länger andauert als je zuvor.
    Die Menge wogt und drängt uns an die kahlen weißen Wände zurück.
    »Es ist der Prinz«, sagt jemand. »Ein Wahnsinniger jagt ihn.«
    Ich muss mich auf Zehenspitzen stellen, um etwas sehen zu können, aber tatsächlich – der Prinz läuft durch den Raum. Seine Maske sitzt schief, seine Blicke schießen hin und her.
    Ein Mann in einem dunklem Umhang und mit einer Maske, die sein ganzes Gesicht bedeckt, folgt ihm. Er hält eine Sense in der Hand. Er bewegt sich, als würde er sich an ein Opfer heranpirschen, langsam und methodisch.
    Die Feiernden schreien und kreischen, fallen auf den Boden und kriechen wild durch- und übereinander, um von Vater und seiner blutbefleckten Maske wegzukommen.
    »Wer hat ihn reingelassen?«, höre ich einen Mann schreien.
    »Der Rote Tod«, stöhnt eine Frau.
    »Lass ihn nicht aus den Augen«, sage ich zu Will.
    Ich stoße mich von der Wand ab, kämpfe mir den Weg durch die hysterische Menge frei, ziehe Will mit mir mit. Wir halten uns an den Händen, selbst jetzt, während wir dem Tod folgen. Meine Hand passt so perfekt in seine.
    Bevor wir Vater erreichen, strömen von allen Seiten Wachen herbei. Alle erstarren, von den halb bekleideten Feiernden bis zu den Schlangenmenschen in ihren unnatürlichen Positionen.
    Die Wachen umringen den Prinzen. Aber Vater ist verschwunden. Ich mustere die Soldaten. Bevor Will und ich weitermachen können, betritt Elliott den Raum.
    Er bleibt einen Schritt von der Tür entfernt stehen, aber sein Kiefer spannt sich unterhalb der Maske an, und ich weiß, dass er mich sieht. Mit Will.
    »Ergreift den Prinzen«, sagt er zu seinen Männern, ohne den Blick von mir zu nehmen.
    »Araby, Prospero hat etwas vor.« Wills Warnung veranlasst mich, zum Prinzen hinzusehen, der die Arme hebt und sie dann in einer dramatischen Geste wieder senkt. Dinge beginnen von der Decke zu regnen. Zuerst ist es einfach nur Konfetti, aber dann prasseln auch orangefarbene Murmeln herunter. Es klingt wie Regentropfen, aber die Murmeln stechen und brennen, wenn sie auf Menschen prallen. Höflinge stolpern, als sie zur Tür laufen; sie

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