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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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zittert. Sie ist so mutig gewesen. Aber ich kann nicht mit ihr mitgehen. Ich lege ihr eine Hand auf den Arm.
    »Wir dürfen nicht zulassen, dass der Prinz so weitermacht«, erkläre ich. »Und wenn ihn jemand tötet, stehen sämtliche Vorräte, die sich hier stapeln, Elliott zur Verfügung.«
    »Wie kommst du darauf, dass du den Prinz töten kannst?« April mustert stirnrunzelnd mein Gesicht.
    »Ich muss es tun. Wir können nicht darauf warten, dass Elliott oder Will uns retten«, sage ich zu ihr. »Elliott rettet die Stadt, und Will …« Ich bin mir nicht sicher, was Will betrifft, daher sage ich nichts mehr über ihn.
    Eine Uhr schlägt, und die Höflinge strömen durch verschiedene Türen zum Thronsaal.
    »Zeit zum Essen«, sagt April. »Jemand wird sterben, bevor die Nacht vorüber ist, aber unglücklicherweise glaube ich nicht, dass es der Prinz sein wird.«
    Eine Reihe von Unterhaltungskünstlern stehen in der Nähe der Tür des Speisesaals und jonglieren mit den Porzellanköpfen von Puppen. An einigen hängt noch ein wenig Füllmaterial. Die Jongleure verrichten ihre Arbeit ohne irgendwelche Emotionen, sehen weder nach links noch nach rechts.
    »Lenk sie nicht ab, Araby.« April zieht mich mit sich. »Wenn einer von ihnen einen Kopf fallen lässt, steckt der Prinz den Kopf des Jongleurs in eine Schraubzwinge. Es ist … schrecklich.«
    Und das ist es, was Prospero von Elise wollte. Er wollte, dass sie eine seiner Unterhaltungskünstlerinnen wird. In einem kleinen Schwanenkostüm.
    April und ich sitzen am anderen Ende des Raumes, ein Stück entfernt vom Tisch des Prinzen, und versuchen, keine Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. Ich mustere die Gesichter an den anderen Tischen, suche Will. Ich sehe weder ihn noch jemanden, der ihm ähnlich sieht, aber es ist voll im Saal, und ich kann nicht alle sehen.
    »Der Maskenball findet morgen Abend statt«, sagt April. »Seit Wochen feiern sie hier jede Nacht eine Party. Dekadente, schreckliche Partys. Aber der richtige Spaß beginnt morgen.« Sie sackt einen Moment in sich zusammen und schließt die Augen. Sie gehört ins Bett.
    Bedienstete führen meine Mutter herein und zum Tisch des Prinzen. Sie setzt sich ruhig hin.
    »Man sollte glauben, er hätte sie inzwischen ersetzt«, murmelte April. Ich bin mir nicht sicher, wie ich auf diese Bemerkung reagieren soll. Es ist mir bisher noch nie in den Sinn gekommen, dass auch April meine Mutter kennen muss, wenn Elliott sie kennt.
    »Wieso hast du mir nie davon erzählt?«, frage ich. Sie runzelt die Stirn. »Dass meine Mutter hier als Geisel gehalten wird?«
    »Hier sind alle Geiseln. Ich wusste nur, dass die Frau, die Klavier spielt und die mein Onkel gelegentlich anlächelt, sich als unsere Nachbarin herausgestellt hat. Es hat mich gefreut zu erfahren, dass sie eine Tochter in meinem Alter hat.«
    Eine Gruppe von Unterhaltungskünstlern wird in den Speisesaal geführt, und ich bemerke, wie sie sich ducken, als Prospero sie ansieht. Er schüttelt den Kopf, und sie schleichen in die Schatten zurück.
    »Sind sie in den Waisenhäusern ausgebildet worden?«, frage ich.
    »Ja. Und selbst hier haben die Leute gehört, dass wir diese Mädchen gerettet haben.«
    »Neuigkeiten reisen schnell.« Ich bin überrascht, dass jemand hier weiß, was wir in der Stadt getan haben.
    Der Prinz sieht meine Mutter an, und sie setzt sich ans Klavier.
    Das Lied, das sie spielt, ist vollkommen anders als alles, was ich zuvor gehört habe. Es ist quälend und traurig, aber auch trotzig. Ich habe das Gefühl, als würde sie mich ansprechen, als versuche sie, all das auszudrücken, was wir einander nie sagen konnten. Die Menge ist hypnotisiert.
    Schließlich hebt sie die Hände und rutscht ein Stück zurück. Der Prinz steht auf und gibt das Zeichen, dass das Essen vorüber ist.
    Während Mutters Lied noch immer in meinem Kopf nachhallt, führt er uns in den Thronsaal. Jeder Balken, der sich über die Decke des Saals erstreckt, hat die Form eines Reptils – es sind hauptsächlich Drachen, aber auch Schlangen und sogar Krokodile sind darunter. Bei meinem letzten Besuch hatte ich das gar nicht bemerkt. Die Buntglas-Fenster sind mir vertraut, und die seltsamen Artefakte und Folterinstrumente, die darunter auf Tischen liegen, auch. Prospero hat überall in seinem Palast Gaslampen, aber in diesem Raum hat er sich für offene Flammen entschieden, was dem Ganzen einen primitiven und furchterregenden Anschein gibt. Die Schatten sind tiefer und dunkler als

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