Das Lied des roten Todes
bestrafen, die ich empfunden hatte. Weil sie mich allein gelassen hat. Weil Finn gestorben ist.
»Meine Preise sind es immer wert, dass man gewinnt.« Er legt mir eine Hand unter das Kinn und hebt es an, sodass mein Blick seinen kalten, toten Augen begegnet. Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht. »Wenn du erfolgreich bist, lasse ich dich am Ende des Spiels entscheiden. Zwischen deiner Mutter und deinem Liebhaber. Keine Sorge. Wenn du sie bei mir lässt, werde ich gut für sie sorgen. Das Gleiche kann ich für den Jungen nicht versprechen.«
Mein Hass auf ihn erstickt mich. Hat er meinen Plan gekannt? Haben die Dienerinnen Will weggeschafft, oder ist er immer noch hier eingesperrt?
»Ich spiele Ihr Spiel«, sage ich mit zusammengebissenen Zähnen. Aber ich werde mich nicht entscheiden. Ich werde mich nicht entscheiden müssen, denn irgendwie werde ich ihn, noch bevor diese Nacht vorüber ist, töten.
Er hält mir seinen Arm hin, und zögernd nehme ich ihn, warte auf seine Antwort. Höflinge weichen uns aus, während wir durch den Flur gleiten. Wir kommen an einem Spiegel nach dem anderen vorbei. Ich weigere mich, in einen von ihnen zu schauen. Er grinst selbstgefällig. Er hat nie daran gezweifelt, dass ich mitspielen werde. Ich will sein schadenfrohes Gesicht nicht sehen, und ich will mich selbst nicht sehen, nicht in diesem Kostüm, das er für mich erschaffen hat. Nicht wenn April niemals wieder ein wunderschönes Kleid tragen kann.
Stattdessen mustere ich die anderen Gäste in ihren schönen Kleidern. Wie seltsam, ihre Münder zu sehen, aber nicht den Ausdruck um ihre Augen. Es ist genau das Gegenteil von dem, was ich gewohnt bin, und ich kann niemanden deuten. Ich bin in dieser Menge von Feiernden regelrecht isoliert.
Und ich werde diese Aufgabe, sein sogenanntes Spiel, allein zu bewältigen haben.
»Woher kennen Sie sieben Dinge, die mir wichtig sind?«, frage ich. »Sie kennen mich doch kaum.«
Er lacht. »Aber ich kenne deine Mutter sehr gut, und sie liebt dich. Ich sammle schon seit einiger Zeit Informationen über dich.«
»Dann sollten Sie wissen, dass ich keine Spiele mag.« Als ich das Messer an meinem Bein befestigt habe, habe ich nicht bedacht, wie unmöglich es sein würde, es in die Hand zu bekommen. Wenn ich es packen könnte, würde ich ihn an Ort und Stelle erstechen. Ich würde die Klinge unter seine Rippen stoßen oder in seine Eingeweide bohren, wie Elliott es mir gezeigt hat.
»Und du solltest wissen, dass es mich nicht im Mindesten interessiert, was dir gefällt oder nicht gefällt«, antwortet der Prinz, und seine Augen leuchten.
Zwanzig
W ir folgen Satinkleidern und juwelenbesetzten Masken zu geschnitzten Holztüren, die offen stehen und den Blick auf eine nach unten führende Treppe freigeben. Ich zögere nur einen kurzen Moment, bevor ich über die Schwelle trete.
»Viel Spaß«, sagt Prospero und bedeutet mir hinunterzusteigen, ehe er in der Menge verschwindet.
Dieser Ort ist dunkel und unergründlich. Vielleicht stimmt es ja, was Elliott gesagt hat. Dass sein Onkel dieses Schloss Stein um Stein importiert hat. Die Wände haben ein tieferes Blau als mein Kleid. Sie erwecken den Eindruck, als könnten sie näher rücken und mich zermalmen. Obwohl die Decke hoch ist, habe ich das Gefühl, dass wir unter der Erde sind, als würden wir uns in einem der Kerker befinden, die Prospero geflutet hat.
Stampfende Trommelklänge dienen als Musik, und von allen Seiten drängen Menschen herein. Eintausend Gäste sind zu diesem Ball eingeladen worden, und es scheint, als wären sie alle in diesem Raum. Tänzer tragen primitive Masken und Kostüme. Ich bin mir nicht sicher, ob sie Gäste sind oder einfach nur dorthin gestellt wurden, um der Unterhaltung zu dienen.
Ich zwinge mich zu lächeln, denn in dieser Maske kann jeder meinen Mund sehen. Die Saphire an meinem Hals sind kühl, aber nicht kühl genug, um das Pochen der Schürfwunden zu lindern. Immerhin ist dieser Raum nur von Fackeln erhellt, deshalb werden die Striemen nicht sehr auffallen.
Die Türen oben an der Treppe fallen mit einem lauten Knall zu. Jetzt kann niemand mehr eintreten. Die Trommeln hämmern. Die Gesichter sind verhüllt. Ein Mädchen tritt mir auf den Fuß. Der Schmerz ist scharf, als hätte sie Spikes an den Slippern. Der Rauch der Fackeln brennt in meinen Augen.
Ich wünschte, ich könnte Prosperos Spiel verstehen. Nach welchen Gegenständen soll ich suchen? Was könnte Mutter ihm über mich erzählt
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