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Das Lied des roten Todes

Das Lied des roten Todes

Titel: Das Lied des roten Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Griffin
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kann ihr nicht helfen, und auch nicht ihr eigener. Jetzt nicht mehr.
    Ich erschaudere, und obwohl Mutter die Hand nach mir ausstreckt, breche ich auf dem Boden zusammen und verberge mein Gesicht in den Decken.
    »Araby«, flüstert Mutter mit brüchiger Stimme. »Du trägst deine Maske nicht. Nicht diejenige, die die Seuche aufhält.«
    In meinem Kummer macht es mir nichts aus, aber sie zieht mich zurück.
    Ich erhasche einen Blick auf mein Spiegelbild, sehe meine aufgerissenen, wilden Augen. Die Schürfwunde an meiner Kehle pulsiert rot. Ich sehe wieder zu Aprils leblosem Körper hin.
    »Sie hat noch mehr Augen-Make-up aufgetragen.«
    »Offensichtlich war ihr das, was die Dienerinnen getan haben, nicht … dramatisch genug.« Mutter nimmt eine seidene Tagesdecke und deckt April damit zu. »Der Prinz hat vor, uns zum Ball zu führen.« Der Kummer in ihrer Stimme ist jetzt Angst gewichen.
    Jetzt bricht alles über mir zusammen. Der Prinz kommt. Aber ich werde nicht zulassen, dass er sie kriegt, dass er sie wegwirft wie die anderen Opfer dieser schrecklichen Seuche.
    Ich werde diese Nacht durchstehen, irgendwie. Ich werde es schaffen, April zu Elliott zurückzubringen, in ihrem Ballkleid. Er wird sie in irgendeinem kunstvollen Grab beerdigen. Er wird eine Statue in Auftrag geben, irgendetwas Auffälliges und Grelles mit weinenden Engeln. Tränen bilden sich in meinen Augenwinkeln, aber ich gestatte mir nicht zu weinen.
    »Wir werden ihm sagen, dass April zu ihrer Mutter gegangen ist, um ihr ihr Kleid zu zeigen«, sagt Mutter und führt mich zur Tür.
    »Warte.« Ich gehe eilig zur Kommode. Meine Hände zittern, als ich die Schublade öffne und mein Messer mit dem Elfenbeingriff herausnehme. Erst jetzt wird mir klar, dass ich keine Stiefel trage, in denen ich es verstecken könnte. Ich trage elegante Slipper. Aber ich brauche es, daher nehme ich zwei von Mutters Seidenschals und binde es mit zittrigen Händen an meinem Oberschenkel fest.
    Dann werfe ich April, die verborgen und konturlos unter der Decke liegt, einen letzten Blick zu, bevor ich zu Mutter in den anderen Raum gehe.
    Sie schließt die Tür zum Schlafzimmer sanft.
    Schließlich bin ich in der Lage zu fragen: »Hat sie gelitten?«
    »Nein. Sie sagte, sie wolle sich für einen Moment hinlegen, dann hat sie viel Aufhebens um ihre Haare gemacht, um sie nicht zu zerzausen. Und dann schien sie eingeschlafen zu sein. Ich bin hingegangen, um mich zu ihr zu setzen, und habe gemerkt, dass sie nicht mehr atmet. Sie ist einfach –«
    »Ich wünschte, ich wäre da gewesen«, flüstere ich. Mutter, die ihre verletzte Hand in die gesunde legt, wendet den Blick von mir ab. »Und ich wünschte, ich wäre bei dir gewesen, als Finn gestorben ist.«
    Ich habe das Gefühl, dass sie mir alle Fragen beantworten wird, die ich ihr stelle. »Wieso hat Vater den Roten Tod freigesetzt?« Ich sehe, wie Gefühle über ihr Gesicht wandern. Sie lässt die Hände sinken, und einen kurzen Moment denke ich, dass ich mich geirrt habe und Mutter mich behandeln wird wie ein Kind. Dass sie lügen und behaupten wird, Vater habe es nicht getan. Aber das tut sie nicht.
    »Erinnerst du dich an die Nacht, als ihr beide – du und April – zum Club gegangen seid … du hast ein langes schwarzes Kleid getragen mit einem Korsett, das du gerade erst gefärbt hattest?«
    Ich erinnere mich an alles, was in jener Nacht war. Will hat mich untersucht und gesagt, ich solle das silberne Augen-Make-up tragen. Elliott ist mir auf die Damentoilette gefolgt und hat mir seine silberne Spritze angeboten.
    »April hatte dich nach Hause gebracht. Einer von ihren Dienern hat dich getragen. Einen Moment dachten wir, du wärst krank oder tot. Er hat so sehr versucht, dich vor dem Prinzen zu beschützen. Aber er konnte dich nicht vor dir selbst beschützen. Und das hat er nicht ertragen. Er hat die Welt nicht ertragen, in der wir leben, und hat sich selbst die Schuld an allem gegeben. Auch an deinem Kummer und deinem Schmerz.«
    »Hat er den Roten Tod in dieser Nacht freigesetzt?«
    »Damals hat er angefangen, davon zu sprechen. Als du dann weg warst und sich alles aufzulösen drohte, hat ihn Prospero, glaube ich, auf die Probe gestellt, die ganze Sache als Bluff bezeichnet. Aber er hat nicht geblufft.«
    Mein Gesicht fühlt sich steif und erstarrt an. »Als ich zurückgekommen bin, hat er mich gefragt, ob ich in dieser Welt glücklich sein kann.«
    »Und was hast du gesagt?« Sie flüstert jetzt.
    »Ich habe nichts

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