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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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ließ seinen Sohn mit den Zwillingen im Regen zurück. Regentropfen rannen über Grims Gesicht. Er schaute seinem Vater nach, bis der im Gasthaus verschwunden war. Dann drehte er sich zu den Zwillingen um und starrte Aki an.
    «Er hält mich für einen Nichtsnutz! Weißt du, wessen Schuld das ist? Deine! Es ist ganz allein deine Schuld, Hurensohn. Weil du mir auf dem Markt am Danewerk das verdammte Messer ins Bein gerammt hast und mir entwischt bist. Geschlagen hat er mich dafür.»
    Grim deutete auf sein missgestaltetes Gesicht. «Hier hat er mich geschlagen, so wie früher. Immer wieder.»
    Er baute sich vor den Zwillingen auf, die Hände in die breiten Hüften gestemmt. Sein Blick sprühte vor Hass.
    Asny drängte sich an Aki.
    «Ihr macht euch über mich lustig», fauchte Grim die beiden an. «Das habt ihr schon immer getan, elendes Schlangengezücht.»
    Aki hätte Grim beinahe widersprochen, schließlich war es doch genau umgekehrt gewesen. Aber er biss sich auf die Zunge und schwieg.
    Grim stieß Aki mit der Faust hart gegen die Brust. «Ich hätte dich töten sollen – damals, als du mich beim Ballwerfen betrogen hast.»
    Aki keuchte. Der Schlag hatte ihm die Luft genommen. Er konnte sich nur zu gut an jenen Tag erinnern, an dem das Unglück über ihn und seine Familie hereingebrochen war.
    «Glaub mir, Hurensohn, es hat mir großes Vergnügen bereitet, die Seherin zu töten – die angeblich so mächtige Zauberin, vor der sogar ein Mann wie der Markgraf gezittert hat. Doch ich war es, der sie erledigt hat. Ich, der Nichtsnutz …»
    Grim schaute kurz zum Gasthaus, dann wandte er sich wieder an die Zwillinge.
    «Wenn der Alte nicht wäre, wärt ihr beiden schon lange nicht mehr am Leben. Ich kann es kaum erwarten, es dir zu besorgen, Weib, während dein Bruder dabei zuschauen muss. Ich will hören, wie du schreist und um Gnade bettelst …»
    Grim schob seine rechte Hand unter Asnys Tunika und befingerte sie zwischen den Beinen.
    «Lass sie in Ruhe!», zischte Aki und ballte die Hände zu Fäusten.
    Verdammt, sah denn Geirmund nicht, was hier geschah? Grim schien die Kontrolle zu verlieren. Wenn der Alte nicht aufpasste, würde sein Sohn über Asny herfallen.
    Aki hob die Fäuste, die Kette rasselte.
    Grim grinste schief. «Ich kann mich nicht erinnern, dich zum Reden aufgefordert zu haben, Sklave. Ich fürchte, ich muss dich bestrafen.»
    Seine Hand bewegte sich unter der Tunika immer schneller.
    «Was ist, Weib? Du bist ja ganz still. Sag, dass es dir gefällt. Los, lass es mich hören!»
    Aki sah, wie Asny tief Luft holte.
    «Sag es!», zischte Grim.
    Da spuckte ihm Asny ins Gesicht.
    «He, alter Mann, du wolltest mir doch eine Jungfrau anbieten, oder habe ich da etwas falsch verstanden?», sagte jemand.
    Grim zog schnell die Hand unter Asnys Tunika hervor.
    Geirmund war in Begleitung eines Mannes zurückgekehrt, den er offenbar aus dem Gasthaus mitgebracht hatte. Der Mann war von hagerer Gestalt. Er trug einen langen, gewachsten Mantel, der ihn vor dem Regen schützte und auf den das Zeichen eines Adlers gestickt war. Der Bart war sauber gestutzt, es schien, als müsse der Mann sich nicht selbst um seine Haarpflege kümmern.
    «So wie der Kerl an deiner Sklavin herumfingert, tut er das nicht zum ersten Mal», meinte der Mann mit Blick auf Grim.
    Er sprach in der Sprache der Dänen, aber man hörte, dass er kein Nordmann war.
    «Ihr müsst meinen Sohn entschuldigen, sie ist ganz bestimmt noch eine Jungfrau, Herr …», erwiderte Geirmund.
    «Tjaard. Graf Tjaard von Staveran.» Er richtete seinen Zeigefinger drohend auf den Alten. «Wenn du mich belügst, Sklavenhändler, landen eure Köpfe auf den Pfählen der Hafeneinfahrt.»
    «Nein, Graf. Das wird nicht nötig sein. Mein Sohn kennt seine Grenzen.»
    Der Graf machte mit der Hand eine Bewegung, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen.
    «Was verlangst du für die Sklavin?»
    «Oh, Herr Tjaard. Wir verkaufen die Sklavin leider nicht allein. Sie und ihr Bruder sind Zwillinge, die wir Euch für … 500  Gramm Silber überlassen würden. Wie Ihr wisst, sind Zwillinge wertvoll.»
    «Zwillinge?»
    Der Graf musterte zunächst Asny und dann Aki eingehend.
    «Ja, sie sehen sich ähnlich. Du hast recht, Alter. Zwillinge werden nicht häufig angeboten. Die Götter schenken dir Glück, wenn du Zwillinge im Haus hast. Aber …»
    Sein Blick glitt wieder zu Asny.
    «Aber ich habe dieses Glück nicht nötig. Ich habe selbst Zwillinge unter meinen Kindern.

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