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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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zwei Fischer, die ihren Fang in Kisten sortierten. Als sie das ankommende Schiff bemerkten, schauten sie auf.
    Die beiden Seeleute hatten sich unterdessen mit langen Stangen, die mit eisernen Spitzen beschlagen waren, an der Bordwand verteilt. Sie fuhren die Stangen, die man
forkr
nannte, gegen die Landebrücke aus, fingen damit den Schub des Schiffes auf und dämpften den Aufprall. Dann sprangen sie von Bord und vertäuten den Wattenvogel an Pollern.
    Die beiden Fischer kamen näher. In ihren Bärten glitzerten Schuppen. Ihre Lederschürzen waren mit Fischresten übersät.
    Fulrad rief ihnen etwas zu, das Aki nicht verstand. Vermutlich war es die Sprache der Friesen. Die Fischer begannen lauthals zu lachen. Nachdem Fulrad seine Worte wiederholt hatte, erwiderte einer der Friesen etwas, das Fulrad offensichtlich überhaupt nicht gefiel.
    Mit verkniffener Miene wandte er sich an die Mitreisenden und sagte: «Die Kerle behaupten, dass sie zwar alles haben, was wir kaufen wollen. Aber es dauert einige Zeit, bis sie die Sachen beisammenhaben.»
    Fulrad spuckte auf die Planken. «Diese Friesen sind die langsamsten und bequemsten Fischfresser, die mir jemals untergekommen sind. Wir werden die Nacht hier verbringen müssen.»
    Geirmund erhob sich von der Ruderbank. «Dann können wir also an Land gehen?»
    «An Land?», meinte Fulrad. «Was willst du in diesem verlausten Nest?»
    «Na, was wohl?», entgegnete Geirmund patzig. «So schnell wie möglich die Sklaven verkaufen.»

46.
    Nach dem Nebel kam der Regen, und er verwandelte den Marktplatz von Staveran in eine Schlammwüste. Die Sklavenhändler zogen Aki und Asny an Seilen, die um ihre Hälse lagen, über den Platz. Das Wasser stand bereits knöcheltief in den Pfützen auf dem von Karrenrädern, Ochsen- und Pferdehufen gefurchten Boden. Ein paar windschiefe Buden mit heruntergelassenen Läden waren das Einzige, das darauf hinwies, dass hier tatsächlich ein Markt abgehalten wurde.
    Heute war jedoch nirgendwo ein Mensch zu sehen, geschweige denn ein Kunde, der sich zwei Sklaven leisten konnte. Nur ein Hund trottete zwischen den Buden hervor. Er zog ein Hinterbein nach und humpelte davon.
    Beim Anblick des verwaisten Marktes schöpfte Aki neue Hoffnung. Geirmunds Ankündigung, die Zwillinge bereits in Staveran verkaufen zu wollen, hatte ihn vollkommen überrascht. Er war fest davon überzeugt gewesen, noch genug Zeit zu haben, um einen Plan für die Flucht zu fassen. Aber nun legte sich seine Verzweiflung allmählich wieder. Es sah nicht danach aus, als ob Geirmund bei diesem Wetter einen Käufer finden würde.
    Inzwischen goss es in Strömen. Dicke Tropfen schlugen das braune Wasser in den Pfützen schaumig. Binnen kurzer Zeit waren die Kleider der vier einsamen Gestalten durchweicht.
    «Hier werden wir die Sklaven niemals los», stellte Grim fest.
    «Wir müssen es versuchen», erwiderte Geirmund. «Diese ganze Gegend hier widert mich an. Wir werden in die Mark zurückkehren, sobald …»
    Ein Hustenanfall unterbrach ihn. Als er wieder zu Atem kam, war sein blasses Gesicht mit dunkelroten Flecken übersät.
    «Ach ja?», meinte Grim. «Wie sollen wir denn nach Hause kommen? Zu Fuß vielleicht?»
    «Wenn’s sein muss. Wir verkaufen diese Brut, und dann verschwinden wir. In irgendeinem Hafen werden wir schon ein Schiff finden, das uns in die Mark bringt.»
    «Und was ist mit Fulrad?»
    Geirmund lachte gequält. «Hast du wirklich geglaubt, ich würde dem Franken auch nur ein einziges Gramm Silber geben?»
    «Ich … nein, woher …»
    Geirmund schlug seinen Sohn auf den Hinterkopf. «Du musst noch viel lernen, Junge. Bete zu den Göttern, dass ich noch eine Weile lebe. Ohne mich bist du verloren in der Welt.»
    Grim verzog das Gesicht.
    Der Alte wandte sich ab und betrachtete die mit Schilf und Holz gedeckten Hütten am Rande des Marktplatzes. Sein Blick blieb an einer Hütte hängen, deren Tür nur angelehnt war. Die Fensterläden waren geöffnet. Laute Stimmen drangen aus dem Innern der Hütte.
    «Das wird ein Gasthaus sein», meinte Geirmund. «Ich werde mich aufwärmen und etwas trinken. Du bleibst mit den Sklaven hier und wartest auf einen Käufer.»
    «Und wenn keiner kommt?»
    «Du tust, was ich sage!»
    Grim stöhnte.
    «Aber versuch nicht, auf eigene Faust zu handeln», ermahnte ihn Geirmund. «Ich werde mich ans Fenster setzen und dich im Auge behalten.»
    «Du traust mir wohl gar nichts zu, Vater.»
    «So ist es!»
    Geirmund setzte sich in Bewegung und

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