Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
Vom Netzwerk:
diese Soldaten waren nicht in der Lage, einen aufdringlichen Besucher fortzuschicken?
    Wieder waren laute Geräusche zu hören und laute, wütende Männerstimmen. Die Tür krachte in den Angeln. Holz splitterte. Ein Mann stieß einen Schrei aus.
    «Ich muss mit Euch reden, Herr!», hörte Brun jemanden rufen.
    Die Stimme kam ihm bekannt vor.
    Brun sprang vom Stuhl auf. Natürlich! Wie hatte er ihn nur vergessen können? Wahrscheinlich weil er überarbeitet und unkonzentriert war. Mit drei Sätzen war Brun am überraschten Wilhelm vorbei und riss die Tür auf.
    In einer anderen Situation hätte Brun vielleicht gelacht bei dem Anblick, der sich ihm auf dem Gang bot. Es sah einfach zu aberwitzig aus, wie einer der Soldaten versuchte, mit seinem Schwert einen riesigen Mönch auf Abstand zu halten, während sich der Mönch die anderen beiden Soldaten wie kleine Kinder links und rechts unter die Arme geklemmt hatte.
    «Ketil!», rief Brun.
    Das Gesicht des Riesen hellte sich auf. Seine Lippen dehnten sich zu einem breiten Grinsen. Er öffnete die Arme und ließ die Soldaten fallen wie Strohsäcke. Dann machte er einen langen Schritt über die Männer hinweg, kniete vor Brun nieder und küsste den Bischofsring.
    «Herr, endlich! Ich muss Euch Wichtiges berichten!»
     
    Und das tat Ketil.
    Brun hatte ihn umgehend in den Raum geführt und die Tür geschlossen. Nun stand Ketil da und redete wie ein Wasserfall, während Brun und Wilhelm zu ihm aufschauten und Mühe hatten, den hervorsprudelnden Worten zu folgen. Immer entsetzter wurden ihre Mienen, als sie hörten, was Ketil aus der Dänenmark zu berichten hatte. Dass Thankmar zusammen mit einem Bischof namens Poppo Menschen verbrennen ließ. Dass er einen Mann ans Kreuz genagelt hatte. Dass seine Männer Angst und Schrecken unter den Dänen verbreiteten und man diese Soldaten Blutmäntel nannte, wegen der roten Umhänge – und wegen des Blutes, das an ihren Händen klebte. Ketil berichtete von seiner Verurteilung zum Tode, dass er hatte fliehen können und den Winter bei ausgestoßenen Dänen im Wald verbracht hatte.
    «Gestern bin ich in Colonia eingetroffen», endete er. «Ich wollte Euch sofort aufsuchen, doch man hat mich im Kloster nicht zu Euch vorgelassen.»
    «Woher hätte ich ahnen können, dass du das warst?», entgegnete Brun und schalt sich innerlich dafür, nicht aufmerksamer gewesen zu sein. Ketils Stimme, der Fluch, der große Schatten auf dem Klosterhof – Brun hätte ihn erkennen können.
    «Nun, der Mönch kommt ja gerade noch zur rechten Zeit», warf Wilhelm ein.
    «Was weißt du von Thankmars Plänen?», fragte Brun.
    «Von seinen Plänen, Herr?»
    Brun und Wilhelm wechselten einen Blick. Durften sie Ketil ins Vertrauen ziehen? Er war loyal, wohl einer der loyalsten Menschen, die Brun kannte, obwohl er Menschen ausgeraubt und getötet hatte, bevor Brun ihn vor dem Galgen bewahrte. Es war Brun damals wie eine göttliche Eingebung erschienen, als er diesen riesigen Mann mit der Schlinge um den Hals gesehen hatte. Die Männer, die ihn hinrichten wollten, reichten ihm kaum bis an die Schultern, und es waren ein halbes Dutzend von ihnen nötig, um Ketil festzuhalten. Aber es war nicht seine Statur allein. Was Brun bewogen hatte, diesem Mann kraft seiner Autorität als Bischof und Kanzler das Leben zu retten, war etwas gewesen, das Brun noch immer nicht genau erklären konnte. Vielleicht war es sein Wesen, das so wild und doch im Kern so gütig war.
    Trotz der Zuneigung zu Ketil beschloss Brun, vorsichtig zu sein und ihm nichts von seinem Verdacht zu erzählen, Thankmar könnte es auf den Thron abgesehen haben. Über diese Angelegenheit durfte kein Wort nach außen dringen. Erst mussten sie Sicherheit haben, in diese oder in jene Richtung.
    «Es heißt, Thankmar habe ein Heer aufgestellt», sagte Brun.
    Ketil schaute ihn mit seinen dunklen Augen an. «Seine Haustruppe ist wohl an die fünfzig Mann stark, aber ein Heer …»
    «Er soll viele Soldaten anführen.»
    «Ich habe ihn seit dem Spätsommer nicht mehr gesehen.»
    Brun biss sich auf die Unterlippe. Irgendetwas musste zwischen Herbst und Frühjahr geschehen sein, das Thankmar in die Lage versetzt hatte, ein mächtiger Heerführer zu werden.
    Bevor Brun eine weitere Frage stellen konnte, kam ihm Wilhelm zuvor.
    «Dieser Poppo, von dem du gesprochen hast, was ist das für ein Mensch?»
    Ketils Miene verdüsterte sich. «Ich weiß, dass es Gott nicht gefällt, wenn ich fluche.»
    Seine Augen fixierten

Weitere Kostenlose Bücher