Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
Vom Netzwerk:
irgendeinen Punkt über den Erzbischöfen.
    «Aber bei diesem Hundesohn kann ich mich nicht beherrschen. Der verdammte Bastard ist eine Schande, und es ist eine Schande, dass dieser Mörder sich Christ nennt.»
    Brun verkniff sich einen Kommentar. Er wandte sich an Wilhelm und wechselte das Thema. «Was wisst Ihr über diesen Bischof, diesen Poppo?»
    «Er ist ein Zögling und Vertrauter von Adaldag, dem Erzbischof des Bistums Hammaburg, zu dem auch die dänische Mark gehört. Adaldag hat Poppo nach Haithabu geschickt, um die Heiden zu missionieren.»
    «Was er offenbar auf seine eigene Art und Weise tut.»
    «Ja, Herr», sagte Ketil, «Ihr müsst dem Treiben dieser Männer Einhalt gebieten.»
    Brun hob abwehrend die rechte Hand. «Das werde ich tun, Ketil. Doch nun beantworte mir eine andere Frage: Hältst du es für möglich, dass Thankmar zum König kommt, um Otto mit dem Heer zu unterstützen?»
    Wilhelm warf Brun einen Blick zu, sagte aber nichts.
    «Das kann ich mir nicht vorstellen», antwortete Ketil.
    «Warum nicht?»
    «Weil der König für ihn ein Verräter ist, ein
seljari
, wie wir Isländer das nennen. Ich habe einmal ein Gespräch zwischen Thankmar und Bischof Poppo belauscht …»
    Brun spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten.
    Im Kamin knackte erneut ein Scheit. Funken regneten auf den Steinboden.

51.
    Asny bibberte am ganzen Körper, obwohl das Rudern ihr den Schweiß aus den Poren trieb. Es war das Gefühl unendlicher Einsamkeit, das sie zittern ließ. Sie hatte Aki verloren, hatte den letzten Menschen – Freund und Bruder zugleich – verloren, der ihr noch etwas bedeutet hatte. Es gab nichts mehr, für das es sich noch zu leben lohnte. Nur sie selbst.
    Aber was war das für ein armseliges Leben? Sie war eine Gefangene, eine Sklavin, eine Handelsware. Sie war Abfall.
    Niemals zuvor war ihr das eigene Schicksal so bewusst geworden. Seit der brennende Mast Aki getroffen hatte und er über Bord geschleudert worden war, hatte sie niemanden mehr, mit dem sie ihre Gedanken teilen, an dessen Schulter sie sich lehnen konnte. Was geblieben war, waren die Trauer um Aki und das Gefühl tiefer, schwarzer Leere.
    Ach, Aki!
    Ein Seufzer dehnte ihre Brust, während sie mit ihren von Schwielen und Blasen übersäten Händen erneut das schwere Ruder durchzog und Fulrads Kommandorufe in ihren Ohren widerhallten.
    Ein winziger Funken Hoffnung war ihr geblieben. War es möglich, dass Aki den Schlag des Masts und den Sturz ins eiskalte Wasser überlebt hatte?
    Wieder und wieder ging Asny diese Frage im Kopf herum, beherrschte ihre Gedanken am Tage beim Rudern und in der Nacht, wenn sie keinen Schlaf fand.
    Grim hatte sie an die Ruderbank gekettet, da der ausgebrannte Laderaum nicht mehr betreten werden durfte. Das Feuer hatte auch den Mast und einen Teil der Ladung vernichtet. Man hatte es aber löschen können, bevor die Planken durchbrannten oder die Flammen auf das Deck übergriffen. Trotz der Katastrophe war der Wattenvogel noch fahrtüchtig, und so waren sie am nächsten Morgen unter dem Kommando eines von Wut und Verzweiflung gezeichneten Fulrad aus der Bucht gerudert und kämpften sich seit nunmehr drei Tagen stromaufwärts über den Rhenus.
    Alle anderen an Bord hielten Aki für tot. Unmittelbar nach seinem Verschwinden hatte Grim verzweifelte Versuche unternommen, ihn zu finden. Er war mit der eisenbeschlagenen Stange, der
forkr
, hin- und hergelaufen und hatte sie immer wieder ins Wasser gestoßen. Am nächsten Morgen hatte er dann versucht, Fulrad zu überreden, das Schiff zum Ufer zu rudern, um dort nach Spuren zu suchen. Als Antwort hetzte Fulrad seine Männer auf Grim, die so lange auf ihn eintraten und einschlugen, bis er um Gnade bettelte. Fulrad gab ihm und seinem Vater die Schuld an dem Unglück.
    «Rudert!», bellte der Schiffsführer. «Rudert!»
    Sie warfen sich in die Riemen, um gegen die starke Strömung des Hochwassers anzukommen.
    Asny hatte den Eindruck, dass Fulrad in den vergangenen Tagen noch dürrer geworden war. Der Bärenfellmantel hing wie ein schlaffer Sack von seinen Schultern. Auf Fulrad lastete nicht nur der drohende Verlust des Schiffes, wenn er kein Geld auftreiben konnte, um den Wattenvogel überholen zu lassen. Auch die Händler hatten Forderungen gegenüber Fulrad gestellt, etwa der Viehhändler, der mit den Schweinen, Pferden und dem Ochsen ein Vermögen verloren hatte.
    Fulrad verwies die Händler an Grim und den kranken Geirmund, der sich beim Einsturz der

Weitere Kostenlose Bücher