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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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und dann Asny, die steif auf dem Hocker saß.
    «Bring mich zur Seherin», sagte er. Er hatte eine tiefe, nicht unangenehm klingende Stimme.
    «Mutter ist nicht hier», erwiderte Aki. «Wir wissen nicht, wann sie zurückkommt.»
    Im blassen Gesicht des Kriegers blitzten die Augen auf.
    «Du lügst», sagte er. «Ich habe euer Haus beobachtet.»
    Da begann Gyda zu weinen. Kurz darauf war Velvas Stimme zu hören, die beruhigend auf die Kleine einredete.
    «Hol die Seherin», sagte der Fremde und legte eine Hand an den Schwertgriff.
    Erst jetzt bemerkte Aki, dass seine Hand, mit der er den Schürhaken hielt, zitterte.
    «Hier ist ein Mann, Mutter», rief er. «Er sagt, dass er zu dir will.»
    «Das habe ich gehört», erwiderte Velva.
    Sie trat mit der weinenden Gyda in den Armen durch die Vorhänge. Velvas offenes Haar war vom Schlafen zerwühlt. Als der Krieger die im Gesicht tätowierte Frau sah, nahm er schnell die Hand vom Schwertgriff. Velva rief Asny zu sich und gab ihr Gyda, ohne den Blick von dem Eindringling und dessen Vogel zu nehmen.
    «Droht Sigurds Sohn mir mit dem Schwert?», fragte Velva.
    Der Krieger machte ein überraschtes Gesicht. Zum ersten Mal, seit er die Hütte betreten hatte, wirkte er verunsichert.
    Aber er fing sich rasch wieder und fragte: «Woher wisst Ihr, wer ich bin?»
    Velva lächelte milde. Im Schein der flackernden Flammen tanzten die tätowierten Sonnen und wellenförmigen Muster, mit denen die Haut auf ihrem Gesicht, dem Ausschnitt und den Armen bedeckt war.
    «Ich bin eine Seherin», sagte sie, «das hast du eben selbst gesagt.»
    Sie nahm Aki den Schürhaken aus der Hand und schickte ihn und seine Schwester in die Schlafkammer. Widerstrebend folgten die Zwillinge der Anordnung. Aki hatte kein gutes Gefühl dabei, Velva mit diesem dunklen Krieger allein zu lassen. Zwar bekam sie hin und wieder Besuch von Männern, die alles andere als vertrauenswürdig aussahen. Aber die anderen Männer kamen tagsüber und hatten keinen Raben dabei.
    Nachdem Asny und Gyda in der Schlafkammer verschwunden waren, hielt Aki noch einmal am Vorhang inne. Er hörte seine Mutter sagen: «Ich habe dich erkannt, weil du deinem Vater ähnlich siehst. Es ist nicht lange her, dass er mir von dir erzählt hat.»
    «Dann kennt Ihr also auch meinen Namen?», fragte der Krieger.
    «Ja, Hakon.»
    «Hakon Sigurdarson.»
    «Setz dich, Hakon.»
    Aki hörte einen Hocker knarren, als der Fremde sich darauf niederließ. Dann hörte er, wie Velva Wasser in eine Holzschüssel goss.
    «Dein Vogel wird Durst haben.»
    Der Rabe stieß einen kehligen Laut aus. Mit einem Flügelschlag war er bei der Schüssel.
    «Ich brauche Eure Hilfe, Seherin», sagte der Krieger.
    «Natürlich. Sonst hättest du wohl kaum eine so weite Reise angetreten. Aki – hast du vergessen, wo die Schlafkammer ist?»
    «Ich … nein», stammelte Aki, dann folgte er seinen Schwestern.
    Obwohl ihn die Neugier beinahe auffraß.
    Asny hatte sich bereits mit Gyda auf das Bett gelegt.
    Die Kleine betatschte Asnys Tunika. Sie suchte nach ihren Brüsten und machte dabei mit ihren Lippen schmatzende Geräusche. Auch wenn Gyda schon lange nicht mehr gestillt wurde, liebte sie es noch immer, an Velvas Brüsten zu nuckeln, vor allem wenn sie aufgeregt war. Asnys Brüste waren noch im Wachsen. Dennoch hatte sie schließlich ein Einsehen, öffnete das Band am Ausschnitt ihrer Tunika und ließ Gyda an einer ihrer Brustwarzen saugen.
    Bald darauf schlief die Kleine ein.
    Aki stand hinter dem Vorhang. Seine Mutter und der Fremde unterhielten sich jedoch so leise, dass er nichts von ihrem Gespräch verstehen konnte. Nur hin und wieder glaubte er den Namen Sigurd zu hören.
    «Mutter will nicht, dass du lauschst», sagte Asny vom Bett her. «Sonst hätte sie uns wohl kaum weggeschickt.»
    Aki machte eine beiläufige Handbewegung. «Ich lausche gar nicht. Ich stehe nur hier und warte, bis ihr eingeschlafen seid.»
    Seufzend nahm Asny ihre Schwester von sich herunter, band ihre Tunika wieder zu und rollte sich auf die Seite.
    «Er ist ein Sturkopf», war das Letzte, was sie sagte, dann schlief auch sie ein.
    Daraufhin drehte sich Aki zum Vorhang, schob ihn eine Handbreit zur Seite und spähte durch den Spalt. Was er sah, ließ ihn erschauern.
    Velva hatte sich nackt ausgezogen.
    Ihr von Kopf bis Fuß tätowierter Körper schimmerte im Feuerschein. Der Krieger saß noch immer auf dem Hocker und starrte Velva an. Auch der Rabe betrachtete sie vom Rand der Schüssel.
    Velva

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