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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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sie Haithabu endlich verlassen konnten.
    «Morgen werden wir genug Geld haben, um endlich von hier fortzugehen», sagte er im Brustton der Überzeugung. «Die Münzen sind mein Einsatz, und wenn ich gewinne, muss Grim mir seine vier Münzen geben.»
    «Und wenn du verlierst?»
    «Ich gewinne!»
    Asny rang sich ein Lächeln ab. «Wohin sollen wir denn deiner Meinung nach gehen?»
    «In den Norden, vielleicht nach Ripen. Ich habe gehört, dass es dort keine Sachsen geben soll. Mutter könnte wieder Menschen heilen, und ich arbeite als …»
    «Du bist ein Träumer und ein Sturkopf!»
    «Das bin ich nicht! Ich werde den Wettkampf gewinnen. In ganz Haithabu wirft niemand den Ball so hart und so gut wie ich.»
    «Ach, Aki!» Asny strich ihrem Bruder über die Wange. «Pass auf dich auf, bitte versprich mir das!»
    Er wollte es gerade tun, als jemand von außen kräftig gegen die Tür hämmerte.
    Aki wagte kaum zu atmen. Vor Schreck hatte Asny seine rechte Hand so fest gedrückt, dass es schmerzte.
    Nachdem das laute Klopfen verklungen war, beherrschten wieder die Nachtgeräusche das Innere des Grubenhauses. Im Feuer knackte ein glimmender Scheit, draußen fegte eine Böe um die Hütte. Hinter den Vorhängen waren Velvas und Gydas Schnarchlaute zu hören. Velva hatte eigentlich einen leichten Schlaf, sie schien wirklich sehr erschöpft zu sein.
    Ob der nächtliche Besucher wieder fort war?
    Vielleicht ist es nur ein Nachbar, der etwas zu essen bringen will, dachte Aki. Oder ein Betrunkener, der sich verlaufen hat. Oder …
    Vor der Tür war das heisere Krächzen eines Raben zu hören. Dann hustete jemand.
    Akis Hoffnungen zerschlugen sich.
    In dem Moment klopfte es erneut, dieses Mal noch lauter.
    Im Hintergrund regte sich Velva. Reisig raschelte, das Bett knarrte. Gyda brabbelte und kicherte im Schlaf. Dann herrschte wieder Stille.
    Aki war überzeugt, dass der hartnäckige Besucher nicht von allein gehen würde. Außerdem war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er Velva geweckt hatte.
    Er stand auf, nahm den eisernen Schürhaken aus dem Feuer und ging damit zur Tür.
    «Nein, nicht!», zischte Asny. «Und wenn es der Bischof ist?»
    Das konnte sich Aki nicht vorstellen. Wenn, dann würde der Bischof sie am Tage heimsuchen.
    «Wer ist da?», fragte er durch die Tür.
    Statt einer Antwort war wieder das Krächzen eines Raben zu hören, dann klopfte es erneut.
    Akis Finger schlossen sich fest um den Griff des Schürhakens. Für einen Jungen seines Alters war er nicht besonders kräftig, eher schmächtig mit seiner schlanken Statur und seinen dünnen Armen. Aber er war zäh und schnell, sehr schnell.
    Er legte die Hand auf den Riegel.
    Es ist bestimmt nur ein Nachbar, sprach er sich in Gedanken selbst Mut zu. Vielleicht ist es der Fischer, der uns ein paar verkohlte Brassen bringt, die zu lange über dem Räucherfeuer hingen, und der nicht will, dass man ihn bei uns sieht.
    Als es wieder klopfte, schob Aki den Riegel zur Seite.
    Die Tür schwang nach innen auf.
    Aki spürte auf seiner Haut den kühlen Nachtwind, der in die Hütte drang. An den Wänden raschelten Velvas Zauberfiguren in der Zugluft. Das Feuer flackerte hell auf.
    Im niedrigen Vorbau des Grubenhauses sah sich Aki einem Mann gegenüber, dessen Gestalt beinahe mit der Nacht verschmolz. Nur das bleiche Gesicht über dem Bart hob sich von der Dunkelheit ab. Er trug einen dunklen Mantel, sein langes Haar war vom Wind zerzaust. Auf seiner rechten Schulter saß ein Rabe.
    Aki hatte den Mann noch niemals gesehen. Er schien ein Krieger zu sein. An seinen Handgelenken glitzerten Silberreife.
    «Wer … seid Ihr?», fragte Aki.
    Der Krieger schwieg. Er warf einen Blick auf den Schürhaken in Akis Hand, dann schaute er über seine Schulter, als wolle er sichergehen, dass niemand ihn beobachtete. Die Sorge war nicht unbegründet. Das Grubenhaus stand im Armenviertel am Stadtrand, gleich unterhalb des Schutzwalls, der Haithabu umgab. Auf dem Wehrgang patrouillierten tags und nachts Soldaten. Aber im Moment war niemand zu sehen.
    Der Krieger stieg mit eingezogenem Kopf in die Hütte hinunter. Dabei streifte seine Schulter ein Bündel getrocknetes Johanniskraut, das Velva zum Schutz vor bösen Geistern außen an die Tür gehängt hatte. Das Kraut fiel zu Boden, und als der Krieger sich umdrehte, um die Tür hinter sich zu verriegeln, trat er mit dem Stiefel darauf.
    Aki wich einen Schritt zurück. Am Gürtel des Fremden hing ein langes Schwert. Der Mann musterte erst Aki

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