Das Lied des Todes
tief in die Gesichter gezogen, huschten Aki und Ketil an dem bunten Treiben vorbei und kamen immer tiefer ins Lager. Es dauerte eine ganze Weile, bis Brun vor ihnen endlich anhielt.
Aki spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten.
Die Erzbischöfe waren vor einem riesigen Zelt stehen geblieben, über dem das Banner des Markgrafen wehte. Das Zelt hatte die Ausmaße eines Palas, und seine Wände waren mit dem Zeichen gekreuzter Schwerter verziert – Schwerter mit von Blut besudelten Klingen.
Und dann sah Aki zum ersten Mal nach all den Jahren den Grafen wieder.
Er stand vor dem Zelt und redete mit einigen Soldaten, bis ihn einer auf die Abordnung aus Colonia aufmerksam machte. Als er sich zu ihnen drehte, huschte ein Schatten über sein Gesicht, der jedoch sogleich wieder verschwand, und weiße Zähne blitzten zwischen den lächelnden Lippen auf.
Aki war wie angewurzelt stehen geblieben. Erst als Ketil ihn zu einem Haufen übereinandergestapelter Kisten drängte, wurde ihm bewusst, dass sie für alle anderen sichtbar waren.
Von dem Versteck aus beobachteten sie, wie Thankmar zu den Erzbischöfen ging, vor ihnen niederkniete und lächelnd erst Bruns und dann Wilhelms Ring küsste. Ricwin stand dabei, eine Hand am Schwert. Bruns Leibgardisten hielten einige Schritt Abstand, ebenso wie die Blutmäntel.
Nach der Begrüßung erhob sich Thankmar wieder und geleitete die Erzbischöfe ans Feuer. Er schnippte mit den Fingern, woraufhin Diener herbeieilten und aus einem Brett und Holzklötzen eine Bank errichteten. Brun und Wilhelm ließen sich darauf nieder. Thankmar setzte sich ihnen gegenüber auf einen Stuhl mit breiten Armlehnen. Becher wurden verteilt und Wein eingeschenkt.
«Was sie wohl zu bereden haben?», flüsterte Ketil.
«Ich will nur wissen, ob Asny hier ist.»
«Wir sollten herausfinden, wo Thankmar seine Diener und Sklaven untergebracht hat.»
Aki schüttelte den Kopf. «Wenn er sie wirklich in seine Gewalt gebracht haben sollte, dann nur, weil er genau weiß, wer sie ist.»
«Und was könnte das deiner Meinung nach bedeuten?»
«Dass sie in seinem Zelt ist.»
«Aber sie ist eine Sklavin!»
«Sie ist vor allem die Tochter der Seherin, die ihn verflucht hat.»
«Mhm, und nun möchtest du an den ganzen Männern vorbeimarschieren, um nachzuschauen, ob …»
Ketil verstummte abrupt. Von hinten näherten sich Stimmen. Aki sah aus den Augenwinkeln ein halbes Dutzend Blutmäntel in ihre Richtung kommen. Sofort duckten er und Ketil sich tief in den Schatten. Akis Herz trommelte so heftig, dass er befürchtete, die Männer könnten es hören. Aber sie gingen an den Kisten vorbei und waren kurz darauf nicht mehr zu sehen.
Die beiden richteten sich wieder auf.
Am Feuer redete Thankmar mit ausholenden Gesten, während ihm die Erzbischöfe mit versteinerten Mienen zuhörten. Hin und wieder ergriff einer der beiden das Wort, woraufhin Thankmar lächelnd seine weißen Zähne zeigte. Aki fand, der Graf sah dabei aus wie damals, als er Harald Gormsson berichtete, wie er der Frau des Seeräubers den Finger abgebissen hatte.
«Nun sag schon – wie willst du da reinkommen?», flüsterte Ketil ungeduldig.
Aki zeigte auf einen mit Heu beladenen Karren, der in der Nähe des Zeltes stand. Mit ein bisschen Glück und der Hilfe der Götter konnten sie es unbemerkt bis zu dem Karren schaffen und von dort weiter zum Zelt.
Ketil nickte vage, als Aki ihm den Plan erläuterte.
Thankmar und die Erzbischöfe waren noch immer in ihr Gespräch vertieft. Auch die Blutmäntel auf der einen und Bruns Leibgardisten auf der anderen Seite schauten nicht zum Karren.
«Wenn das schiefgeht, Junge, lege ich dich übers Knie», flüsterte Ketil und grinste schief.
«Wenn du dann noch die Gelegenheit dazu bekommst», erwiderte Aki tonlos.
«Oh, der Däne hat Galgenhumor. Also los!»
Ketil duckte sich und spurtete los. Aki folgte ihm. Sie erreichten den Heuwagen und warfen sich dahinter auf den Boden. Vom Feuer her war Thankmars Lachen zu hören. Es klang aufrichtig und freundlich. Aki und Ketil waren jetzt so nahe, dass man die einzelnen Stimmen unterscheiden konnte.
«Verstehst du, was sie sagen?», flüsterte Aki.
Ketil legte eine Hand an sein rechtes Ohr und lauschte.
«Sie reden in der Sprache der Sachsen. Warte … Thankmar meint, es sei eine große Ehre für ihn, an der Seite des Königs in der Lombardei zu kämpfen. Er bittet Brun, dies dem König zu übermitteln, und jetzt sagt Brun, dass er morgen zum Reichstag
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