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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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unterdrückte.
    Brun atmete hörbar ein und wieder aus und sagte dann: «Ricwin, fahrt mit Eurem Bericht fort. Und der Däne …»
    Er machte eine Pause.
    Aki lief ein Schauer über den Rücken. War das alles? Hatte er die weite Reise umsonst gemacht?
    Seine Unterlippe begann vor Wut zu zittern. Er ballte die Hände zu Fäusten und spürte sogleich Ketils Hand an seinem Arm.
    «Und der Däne soll ruhig alles mit anhören», fuhr Brun fort. «Zu seiner Bitte werde ich mich anschließend äußern.»
    Aki öffnete die Fäuste, und Ketil ließ seinen Arm los.
    Nun war es an Ricwin, die Sorgen der beiden Erzbischöfe noch größer zu machen. Hauptmann Ricwin – so erfuhr Aki – war erst heute zurückgekehrt, nachdem er die Truppenbewegungen von Thankmars Heer bei der Diusburg und bei der Querung des Rhenus ausgespäht hatte. Ricwin schätzte die Stärke des Heeres auf mindestens tausend Bewaffnete, hinzu kam in etwa die gleiche Anzahl an Leuten, die den Tross begleiteten.
    «Tausend Soldaten», raunte Wilhelm. «Das sind mehr, als wir befürchtet hatten.»
    Brun nickte mit leichenbitterer Miene. Dann fragte er nach Thankmar.
    Er habe den Markgrafen mehrere Male beobachten können, erzählte Ricwin. Thankmar habe einen durchaus gelösten Eindruck auf ihn gemacht und sich zumeist im Heerlager bei der Diusburg aufgehalten. Hin und wieder sei er im Hafen gewesen, um die Verschiffung der Truppen zu kontrollieren. Einmal habe Thankmar auch den Marktplatz besucht.
    Als Aki dies hörte, stellten sich seine Nackenhaare auf. Wenn nun Asny ebenfalls auf dem Markt gewesen war und Thankmar sie erkannt hatte? Nein, dieser Gedanke war abwegig. Mehrere Jahre waren vergangen, seit der Graf ihr das letzte Mal begegnet war. Aber dann kam Aki noch ein anderer Gedanke. Thankmars Hauptmann hatte ihn vor nicht allzu langer Zeit gesehen, und die Zwillinge waren einander noch immer sehr ähnlich.
    «In drei oder vier Tagen wird das Heer Colonia erreichen», hörte Aki Ricwin berichten.
    «Welche Adligen sind bei Thankmar?», wollte Brun wissen.
    «Gunther von der Eresburg, Barthold von Hildenisheim und einige andere Männer, die wohl auch Soldaten beigesteuert haben. Nach allem, was ich erfahren habe, führt Thankmar das Heer …»
    «Dann stimmt es also doch», meinte Wilhelm. «Und über Evurhard von Franken habt Ihr wirklich nichts gehört?»
    «Nun, mir sind Gerüchte zu Ohren gekommen, Evurhard sei erkrankt und auf der Eresburg zurückgeblieben.»
    Brun massierte seine Schläfen. «Gut», sagte er, «oder besser: nicht gut. Nun wissen wir also, dass Thankmar ein Heer zunächst nach Colonia führt und dann weiter nach Aquisgranum, zur Krönung von Ottos Sohn. Dem Sohn des Mannes also, den Thankmar einen Verräter nennt, wie wir von Ketil erfahren haben.»
    Er schaute Aki an. «Ist dir dazu noch irgendetwas eingefallen?»
    Aki war noch immer in seine Gedanken vertieft. Anstatt dem Erzbischof zu antworten, stellte er Ricwin spontan die einzige Frage, die ihm im Kopf herumging: «Habt Ihr auch den Hauptmann des Grafen auf dem Markt gesehen?»
    Ketil stöhnte. «Beantworte die Frage meines Herrn!»
    Doch Brun winkte ab. «Der Däne soll erzählen, warum diese Information wichtig für ihn ist.»
    «Das kann ich noch nicht genau sagen, Herr.»
    Brun nickte Ricwin zu.
    «Ja», sagte Ricwin, «den Hauptmann – ich glaube, er heißt Ernust – habe ich dort auch gesehen.»
    Er kratzte sich am vernarbten Ohrloch. «An der Sache war etwas Merkwürdiges. Ich hatte das wieder vergessen, denn ich hielt es nicht für bedeutend. Aber jetzt, da der Däne danach fragt, fällt es mir wieder ein. Es war die einzige Gelegenheit, bei der ich Thankmar aufgebracht erlebt habe. Er und der Hauptmann rannten so schnell durch die Siedlung, dass ich Mühe hatte, ihnen unbemerkt zu folgen, und dann hatte ich auf dem Markt den Eindruck, als würden die beiden nach jemandem suchen …»
    «Wer könnte das gewesen sein?», fragte Brun.
    Ricwin schien verunsichert. «Ich habe die beiden aus den Augen verloren, als sie anschließend zum Hafen hinuntergingen.»
    Brun zog die Augenbrauen zusammen, verkniff sich jedoch einen Kommentar.
    Er fragte Aki: «Nach wem könnte Thankmar gesucht haben?»
    Aki senkte den Kopf. «Vielleicht nach meiner Schwester.»
    Bruns Hände klatschten auf den Tisch. Die Kerzenflammen flackerten.
    «Es tut mir leid, junger Mann, dass ich dir das sagen muss. Uns treiben im Moment ganz andere Sorgen um als die Frage, wo deine Schwester

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