Das Lied des Todes
soll Thankmar angegriffen haben?»
«Ja, zweimal.»
«Warum zweimal?»
«Das weiß ich nicht, vielleicht weil Sigurd sehr reich ist. Er überfällt auch dänische Handelsschiffe, wie ich gehört habe.»
Brun nickte nachdenklich. «Dann müsste Harald Gormsson dem Grafen dankbar sein.»
«Er hat ihm Krieger gegeben.» Das hatte Aki auch aus dem Gespräch von Geirmund und Grim erfahren.
«Viele Krieger?»
«Das weiß ich nicht.»
Brun nickte nachdenklich. «Harald Gormsson also. Das erklärt einiges.»
Er schien sich mit diesen Antworten zunächst einmal zu begnügen. «Wir sind vorhin von Rothard und seinem Skribenten unterbrochen worden, Ricwin. Fahrt nun fort mit Eurem Bericht – aber auf Latein. Vielleicht kann der junge Däne etwas dazu beitragen, was uns weiterhilft.»
Bevor Ricwin begann, bat der dritte Mann, der bislang geschwiegen hatte, um das Wort.
«Gewährt mir einen Einwand», sagte er.
«Nun, Wilhelm?»
«Haltet Ihr es wirklich für ratsam, diese Sache vor einem Heiden zu besprechen? Er trägt zwar eine Mönchskutte und spricht die Sprache der Gelehrten. Es würde mich allerdings wundern, wenn der Däne den christlichen Glauben angenommen hätte.»
Bruns Blick wanderte von Wilhelm zu Aki, dann zu Ketil.
«Kannst du für den jungen Mann bürgen?», fragte Brun.
«Aus vollstem Herzen», sagte Ketil, ohne zu zögern. «Lasst mich Euch Akis Geschichte erzählen, und Ihr werdet verstehen, dass er allen Grund hat, Thankmar bis aufs Blut zu hassen.»
Brun trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. «Gut. Aber halt dich nicht mit Nebensächlichkeiten auf. Ich habe nicht viel Zeit.»
Ketil nickte eifrig. Er berichtete von Poppos Jagd auf Akis Mutter, von der Wasserprobe und Velvas vernarbten Armen, von Thankmars Versuch, die Frau hinzurichten, und ihrer Verbannung in den Wald.
«Thankmar gab nicht auf», sagte Ketil. «Er schien besessen davon zu sein, die Frau zu finden und zu töten.»
«Warum?», wollte Brun wissen.
Ketil senkte den Blick auf seine Schuhe. «Weil … sie eine Seherin war.»
Die drei Männer am Tisch bekreuzigten sich.
«Willst du damit sagen, der Däne ist der Sohn einer heidnischen Zauberin?», stieß Brun aus. «Beim Allmächtigen, Ketil! Warum hast du uns das verschwiegen? Diese Seherinnen sind gefährlich! Sie bekämpfen uns Christen, und sie genießen großes Ansehen in den barbarischen Völkern. Missionare müssen ihr Leben lassen, weil Zauberinnen und Zauberer die Heiden aufhetzen.»
Aki spürte, wie die Wut in ihm hochkochte. Der Erzbischof mochte Ketils Freund sein, aber er hatte kein Recht, so über Velva zu reden.
«Ja, Herr», sagte Ketil. «Ich habe von diesen Geschichten gehört. Aber auch auf Island haben nicht alle Seherinnen Böses im Sinn. Im Gegenteil, Velva war ein guter Mensch.»
«Woher willst du das wissen?», fragte Brun scharf.
«Ich habe bei ihr gelebt, wie ich Euch erzählte …»
«Bei Ausgestoßenen – das hast du gesagt!»
Aki merkte, dass Ketil zu zittern begann. Es kostete ihn offenbar große Überwindung, seinem Herrn zu widersprechen, und Aki war stolz auf seinen Freund und dankbar, dass er Partei für Velva ergriff.
«Ja, sie sind verbannt worden. Aber Thankmar wollte die Seherin und ihre Kinder töten, weil er Angst hatte, Velva würde seine mörderischen Pläne in der Mark durchkreuzen. Weil sie sich stark gemacht hat für die Menschen, denen er alles genommen hat. Und weil sie ihn verflucht hat.»
Brun saß regungslos da, nur seine Nasenflügel bebten. Dann wandte er sich an Wilhelm und Ricwin, und sie berieten sich eine Weile mit gedämpften Stimmen.
Als sie ihr Gespräch beendet hatten, sagte Brun: «Wir machen eine Ausnahme. Es gibt im Moment Wichtigeres als eine Seherin. Erzähl uns den Rest der Geschichte des Dänen, aber fass dich kurz.»
«Ich danke Euch, Herr», sagte Ketil und berichtete von Velvas Tod, der Versklavung der Zwillinge, Akis Flucht und dessen Trennung von seiner Schwester.
«Und deshalb ist Aki nach Colonia gekommen», schloss Ketil. «Er möchte Euch um Hilfe bei der Suche nach seiner Schwester bitten.»
Nun war es raus! Aki wartete angespannt auf die Reaktion des Erzbischofs.
«Ich soll … was?», fragte Brun irritiert.
«Er hat doch sonst niemanden mehr», flehte Ketil.
Brun drehte den Kopf und schaute abwechselnd von Ricwin zu Wilhelm. Wilhelm schüttelte fassungslos den Kopf, während Ricwin aussah, als müsse er sich ganz dringend erleichtern, vielleicht weil er ein Lachen
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