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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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nach Wormaza abreisen wird …»
    Aki hatte genug gehört. «Ich muss ins Zelt, bevor sie ihr Gespräch beenden.»
    Flach auf dem Boden robbten sie zu der Rückseite. Hier wartete Aki einen Augenblick, um sicherzugehen, dass niemand in der Nähe war. In einiger Entfernung sah er den Schein von Lagerfeuern. Aber der Abstand war zu groß, als dass jemand sie von dort aus hätte sehen können. Stimmen und Gelächter drangen gedämpft zu ihnen herüber.
    Die Zeltbahnen waren mit Holzpflöcken im Erdboden verankert. Aki legte beide Hände um einen Pflock, doch er ließ sich nicht bewegen.
    «Lass mich das machen», zischte Ketil.
    Aki rückte zur Seite und beobachtete, wie sich die Pranken des Mönchs auf den Pflock legten und diesen mit einem kurzen, trockenen Ruck aus der Erde zogen. Er legte das Holz zur Seite und hob die Zeltbahn behutsam ein Stück weit an.
    Aki kroch vor den Spalt. Die einzigen Geräusche, die er hörte, waren Stimmen von der anderen Seite des Zeltes und von den entfernten Lagerfeuern.
    Er nickte Ketil kurz zu, dann schob er sich langsam unter der Zeltbahn hindurch. Als er drin war, blieb er einen Moment liegen. Noch immer deutete kein Geräusch darauf hin, dass jemand im Zelt war.
    Er versicherte sich, dass Ketil die Zeltwand weiterhin hochhielt, damit er jederzeit wieder herauskommen konnte, dann hockte er sich auf die Knie.
    Unmittelbar vor ihm verdeckten drei aufeinandergestellte Truhen den Blick aufs Innere, das der durch die Wände dringende Feuerschein in mattes Zwielicht tauchte. An den Truhen richtete sich Aki so weit auf, bis er darüber hinwegschauen konnte – und das, was er sah, ließ ihm den Atem stocken.
    Inmitten des Zeltes lehnte ein glatzköpfiger Mann an einer Stange, mit der die Kuppel abgestützt wurde. Der mit einem Blutmantel bekleidete Mann stand mit dem Rücken zu Aki. Aber er brauchte das Gesicht nicht zu sehen, um zu wissen, dass es Thankmars Hauptmann war.
    Plötzlich drang das Geräusch eines unterdrückten Hustens an Akis Ohren. Der Hauptmann war nicht allein. Akis Blick schweifte durch das Zelt und blieb im hinteren Bereich an einer Gestalt haften, die auf einem Stuhl saß und Aki ebenfalls den Rücken zukehrte.
    Aki hätte beinahe einen Schrei ausgestoßen.
    War es wirklich Asny?
    Die Gestalt auf dem Stuhl war eindeutig eine Frau, schmale Schultern, zierlicher Körper, langes, goldfarbenes Haar …
    Aber konnte das Asny sein, seine Schwester, die Sklavin?
    Soweit Aki dies in dem Dämmerlicht erkannte, trug die Frau ein purpurfarbenes Kleid aus feinem Stoff, und auf ihrem Kopf glitzerte ein silbernes Schmuckstück.
    Diese Frau sah nicht aus wie eine Sklavin.
    Eine Stimme ließ Aki jäh zusammenzucken. Er schaute zum Eingang und sah dort den Grafen stehen. Thankmar sagte etwas zu dem Hauptmann, der daraufhin das Zelt verließ. Der Graf trat zu der Frau und sprach sie an. Auf Dänisch.
    Aki rang nach Luft.
    «Meine Königin», hörte er Thankmar mit sanfter Stimme sagen und sah, wie er der Frau über das goldene Haar strich.
    Sie drehte den Kopf und schaute zu ihm auf.
    Es war Asny!
    Aki taumelte zwei Schritte rückwärts und stieß mit dem Bein gegen etwas Hartes. Auf einem kleinen Tisch klapperten Becher, nicht sehr laut, aber laut genug, dass Thankmar es gehört hatte. Der Graf schaute in seine Richtung.
    Aki tauchte sofort hinter den Truhen ab. Wirbelte herum. Der Spalt zwischen Zeltbahn und Boden war verschwunden. Stimmen! Da waren Stimmen hinter dem Zelt.
    Und dann hörte er das Kratzen einer Schwertklinge, die aus der Scheide gezogen wurde.

[zur Inhaltsübersicht]
    Teil IV
    Pfingsten 961

59.
    Brun rauschte über den Gang. Er war zu spät dran. Der König hasste Unpünktlichkeit. Aber Brun hatte einen guten Grund.
    Draußen ging bereits die Sonne unter. Zwei Tage vor dem heiligen Pfingstsonntag wimmelte es von Menschen im Palas der Pfalanza zu Aquisgranum. Brun lief an ihnen vorbei, bis am Ende des Gangs die Tür auftauchte. Sie wurde von Männern der königlichen Leibgarde bewacht. Bei ihnen standen einige Soldaten aus Rom, die Brun an ihrer Kleidung erkannte. Sie waren schon da, natürlich.
    Der Hauptmann der königlichen Garde erkannte Brun. Man öffnete ihm die schwere Tür, und er trat in den von Kaminfeuern beheizten Saal, dessen Wände mit Waffen, Fellen und Tüchern geschmückt waren. Am anderen Ende des Raums stand ein Tisch, an dem vier Männer saßen.
    Die Tür schloss sich mit einem Krachen hinter Brun. Die Männer am Tisch schauten

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