Das Lied des Todes
Niemand sagte etwas. Nur die verzweifelten, stöhnenden und würgenden Geräusche der am Boden liegenden Männer waren zu hören. Aber es wurden weniger. Hakon war überzeugt, dass sie vergiftet worden waren und dass derjenige, der das getan hatte, dieses Schicksal auch für den König vorgesehen hatte. Wer derjenige war, stand außer Frage.
Hakon schob sich durch die Menge bis hinter die Soldaten. Aber es gab kein Durchkommen.
«Was schlagt Ihr also vor?», fragte der König.
Das Gesicht des Grafen hellte sich auf. «Ihr dankt ab und überlasst mir den Thron.»
«Niemals!»
«Dann nehme ich das, was mir zusteht, auf meine Weise, Onkel.»
Er drückte den Kopf des Knaben über seine Armbeuge und ging auf die Soldaten zu. Der König wollte ihnen nacheilen. Doch andere Männer stellten sich ihm in den Weg, hielten ihn zurück und redeten auf ihn ein, bis der König widerwillig von seinem Vorhaben abließ.
Der Graf führte seine Geisel zum Portal und verschwand dahinter. Niemand folgte ihm.
Thankmar trat vor den Palas und stieß einen bitteren Fluch aus. Weder Ernust noch Barthold waren zu sehen.
Der Knabe japste wie ein Fisch in seinem Arm. Er lockerte den Würgegriff ein wenig. Noch brauchte er den Jungen.
Ernust hatte den Befehl erhalten, mit drei Dutzend Blutmänteln draußen vor dem Haupteingang der Pfalanza auf Barthold zu warten. Barthold sollte sie holen, sobald der König vom vergifteten Fleisch gegessen hatte. Sie sollten die Wachen überwältigen, in die Pfalanza eindringen und zum Palas eilen. Bevor die Soldaten des Königs auch nur geahnt hätten, was vor sich ging, hätten sich Thankmar und seine Männer drinnen verschanzt. Sie hätten die überlebenden Hauptleute gezwungen, die königlichen Soldaten Thankmars Befehl zu unterstellen.
Das war der Plan, und er war gut gewesen. Wenn dieser Mönch und der Sohn der Seherin ihn nicht durchkreuzt hätten. Diese verdammte Seherin! Aber Thankmar hatte keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie dieser Kerl in die Pfalanza gelangt war.
«Hör endlich auf zu heulen!», schnauzte Thankmar den kleinen König an.
Auf dem Hof vor dem Palas hielten sich etwa zwei Dutzend Soldaten auf. Als sie Thankmar herauskommen sahen, waren sie zunächst irritiert. Es dauerte einen Moment, bis sie die Geisel erkannten. Die Erkenntnis ging wie ein Ruck durch die Truppe. Die Männer zogen ihre Schwerter und näherten sich.
«Bleibt, wo ihr seid!», rief Thankmar.
Es bedurfte keiner weiteren Worte, um den Soldaten deutlich zu machen, was geschehen würde, wenn sie der Aufforderung nicht nachkommen würden. Sie blieben in einiger Entfernung stehen.
Das gab Thankmar einen Aufschub, wenn auch nur einen kleinen. Ohne die Unterstützung der Blutmäntel war es nur eine Frage der Zeit, bis die anderen irgendeinen Weg gefunden hätten, ihn zu überwältigen.
«Ich nehme dich mit in den Tod», zischte er dem Jungen zu und drückte fest zu.
Der Knabe jaulte auf.
Thankmar machte einige Schritte vom Palas weg, wobei er die Soldaten nicht aus den Augen ließ.
«Ich sichere Euch freies Geleit zu!», hörte er den König hinter sich rufen.
Thankmar drehte sich um.
Der König stand im Portal. Hinter ihm drängten sich einige der Männer, die mit ihm am Tisch gesessen hatten. Aber niemand setzte einen Fuß vor den Palas.
«Freies Geleit!», rief der König. «Das schwöre ich. Ihr seid allein. Eure Männer haben Euch verraten …»
Thankmar wollte gerade etwas erwidern, als er die Geräusche von Stiefeln hinter sich hörte und sah, wie der König blass wurde. Als er sich umdrehte, kamen seine Soldaten auf ihn zu. Ernust lief voran, gefolgt von Barthold und den Blutmänteln. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet, und in ihren Augen funkelte die Gier nach Blut. Das Handwerk dieser Männer war das Töten, ein Handwerk, das sie beherrschten. Dafür bezahlte Thankmar sie, und er würde ihnen bald die Gelegenheit geben, ihre Gier zu stillen.
Er drehte sich wieder zum Palas um und sah Otto einem Soldaten ein Horn aus der Hand schlagen, mit dem dieser offenbar das königliche Heer alarmieren wollte. Auch wenn es ihm sichtlich schwerfiel, gab der König den Soldaten vor dem Palas den Befehl, die Waffen abzulegen.
Otto war ein Schwächling, unwürdig für den Thron, den es gegen alles und jeden zu verteidigen galt. Hätte Thankmar einen Sohn gehabt, er hätte keinen Augenblick gezögert, ihn zu opfern.
Er ging seinen Männern entgegen und ließ sich ein Schwert geben.
«Zur
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