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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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er sich von den Schaulustigen abwandte, sah er Poppo in seiner Nähe stehen und mit bebenden Lippen Gebete murmeln. Der Bischof blutete aus einer Platzwunde am Kopf. Auch die meisten von Thankmars Soldaten hatten Beulen und Platzwunden davongetragen. Der Dänenkönig und die Stammesfürsten hingegen waren unverletzt geblieben.
    Haralds Miene verriet große Unruhe. Fassungslos, beinahe angsterfüllt schaute der Herrscher auf die Menschen, die ihn soeben angegriffen hatten. Sein Volk.
    Jarl Storolf stand noch immer neben dem König. Jetzt beugte er sich zu ihm hinunter und redete leise auf ihn ein. Es gefiel Thankmar überhaupt nicht, dass Harald dabei immer wieder zustimmend nickte. Er hätte einiges dafür gegeben zu erfahren, was der Jarl dem König einflüsterte.
    Ein Mann trat neben Thankmar. Es war Ernust, dem Blut aus der Nase tropfte.
    «Herr, wir sollten mit den Hinrichtungen fortfahren», sagte der Hauptmann.
    «Hol die Kinder!», zischte Thankmar.
    Ernust gab den Soldaten, die auf die Zwillinge und das kleine Mädchen aufpassten, einen Wink. Keines der Kinder hatte etwas abbekommen. Thankmar war sich nicht sicher, ob sie überhaupt etwas von dem Steinhagel bemerkt hatten. Ihre Gesichter waren von Entsetzen gezeichnet, und ihre Blicke galten einzig und allein dem Seil, an dem irgendwo unten im Wasser ihre Mutter ertrank. Oder bereits ertrunken war.
    «Wie lange noch?», fragte Thankmar seinen Hauptmann.
    Ernust zuckte ratlos mit den Schultern. «Es könnte ausreichen, aber genau weiß ich es nicht …»
    Dennoch beschloss Thankmar, den Käfig wieder hochholen zu lassen. Erst wenn die Kinder, die er alle drei auf einmal hinrichten würde, ebenfalls tot waren, konnte er sich sicher sein, dass das verdammte Dänenpack seine Drohung verstand.
    Und dass der Fluch seine Wirkung vielleicht doch nicht entfaltete.
    Er schickte drei Soldaten zu dem Seil. Sie machten sich sogleich daran, den Käfig aus dem Wasser zu ziehen.
    Währenddessen überlegte Thankmar, ob wirklich genug Zeit vergangen war. Er hatte einmal einen Mann getötet, indem er ihn mit dem Kopf in eine mit Wasser gefüllte Pferdetränke gedrückt hatte. Zunächst wehrte sich der Mann noch eine ganze Weile und fuchtelte mit Armen und Beinen. Dann erlahmten seine Bewegungen. Sicherheitshalber hielt Thankmar den Kopf des Mannes noch eine Weile länger unter Wasser. Als er ihn herauszog, war der Mann tot – so tot, wie es jetzt sicher auch die Seherin war.
    Schlag um Schlag zogen die Soldaten an dem Seil. Wie die Flanke eines großen Fisches schimmerte der nackte Körper der Frau im dunklen Wasser. Dann durchbrach der Käfig die Oberfläche.
    Wellen breiteten sich bis zu den Fischerbooten aus, auf denen die Menschen ebenso angespannt zuschauten wie die Menge im Hafen.
    Wenn sie die tote Zauberin sehen, dachte Thankmar, werden sie wissen, dass ich mächtiger bin als ihre Götter. Dass ihre Götzen mir nichts anhaben können. Dass ich unbesiegbar bin!
    Mit einem kräftigen Ruck wuchteten die Soldaten den Käfig auf die Brücke. Um das Gestell herum breitete sich eine Wasserlache aus. Das Weib, das darin lag, bewegte sich nicht mehr.
    Thankmar atmete auf. Er trat vor den Käfig, löste die Seile und öffnete ihn. Er packte ein Fußgelenk der Seherin, zog sie aus dem Käfig und ließ das Bein wieder fallen.
    «Die Kinder! Macht schon – die Kinder!», rief er Ernust zu.
    Da stieß jemand einen Schrei aus.
    Thankmar sah Poppo wie von Sinnen kreischend auf etwas zeigen, das sich hinter Thankmar befinden musste. Als er sich umdrehte, setzte sein Herz einen Schlag aus.
    Die Seherin bewegte sich! Sie lebte! Das verdammte Weib lebte!
    Wie von Geisterhand bewegt, schlängelte sich der tätowierte Körper zu ihm hin. Dünne Finger griffen nach ihm, bekamen seine Stiefel zu fassen, legten sich um seine Knöchel …
    Thankmar versuchte zurückzuweichen, wegzulaufen. Aber seine Füße wollten sich nicht bewegen. Sie schienen auf den Brettern festgebunden, nein, regelrecht mit ihnen verwachsen zu sein.
    Von irgendwoher hörte er Poppos panische Stimme, die den Teufel beschwor, in die Hölle zurückzukehren. Er hörte seine Soldaten und die dänischen Stammesfürsten aufschreien. Ja, er glaubte sogar den König kreischen zu hören.
    Und dann hörte er wieder ihre Stimme, diesen Singsang, der sich dünn, schrill und markerschütternd in seinen Kopf bohrte.
    Die Seherin hatte von seinen Füßen abgelassen. Sie richtete sich vor ihm auf. Wuchs in die Höhe. Wassertropfen

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