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Das Lied des Todes

Das Lied des Todes

Titel: Das Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Instinkt sagte ihm, dass er den Reiter nicht einfach so davonkommen lassen durfte.
    Er sprang von der Eiche, ergriff seine Waffen und huschte geduckt durchs Unterholz.
    Als er den Weg beinahe erreicht hatte, sah er den Reiter in vollem Galopp vorbeijagen. Es war der Graf!
    Hakon fluchte in sich hinein. Das war die Gelegenheit gewesen, auf die er gewartet hatte, und er hatte sie vertan.
    Er trat auf den Weg. Im Dämmerlicht war der Graf noch schemenhaft zu erkennen. Er schien jetzt wesentlich langsamer zu reiten. Offenbar hatte er Angst, das Pferd könnte über eine Wurzel stolpern oder auf feuchtem Laub ausrutschen.
    Ein Schatten flog über Hakon hinweg. Der Rabe folgte dem Reiter, und dann setzte sich auch Hakon in Bewegung.
    Er lief, so schnell er konnte. Schwertscheide und Pfeilköcher schlugen mit jedem Schritt gegen seine Beine. Den Bogen behielt er in der Hand. Beim Laufen behinderten ihn die Waffen zwar, aber er rechnete damit, dass auch der Graf bewaffnet war.
    Hakon rannte und rannte. Die Geräusche seiner keuchenden Atemzüge und Schritte hallten ihm in den Ohren wider. Bald schwitzte er am ganzen Körper so sehr, dass er die Fibel löste und den Mantel fallen ließ.
    Wenn der Weg vor ihm über eine längere Strecke geradeaus verlief, konnte er hin und wieder den Schatten des Reiters erkennen. Anfänglich hatten zwischen ihnen etwa zweihundert Schritt gelegen, aber die Entfernung wurde größer, sosehr Hakon sich auch beeilte.
    Der Atem rasselte in seiner Brust, die Beine wurden immer schwerer. Lange würde er die Geschwindigkeit nicht mehr durchhalten können, es sei denn …
    Schweren Herzens warf er zuerst den kostbaren Bogen ins Gebüsch, dann schnallte er auch den Köcher ab. Nun hatte er nur noch das Schwert, und er hoffte, dass es ausreichte, um den Grafen zu töten. Vom Ballast befreit, kam er etwas schneller voran. Bald wurde der Schatten des Reiters wieder größer.
    Obwohl seine Beine und Füße weh taten und er Seitenstechen bekam, erhöhte Hakon die Geschwindigkeit. Wie ein Irrer rannte er und versuchte die Schmerzen und die Erschöpfung auszublenden.
    Nach einer längeren geraden Strecke beschrieb der Weg mit einem Mal eine Kurve nach rechts, hinter der der Reiter aus Hakons Sichtfeld verschwand.
    Er trieb sich noch schneller an. Halte durch! Verdammt, halte durch! Vielleicht war dies die letzte Gelegenheit.
    Er jagte um die Kurve, hinter der gleich darauf eine weitere nach links folgte. Dann führte der Weg wieder über eine längere Strecke geradeaus. Aber der Graf war nirgendwo zu sehen.
    Hakon hielt an und zog das Schwert aus der Scheide. Sein Herz raste. Der Graf schien wie vom Erdboden verschluckt. Ob er seinen Verfolger bemerkt und sich irgendwo versteckt hatte? Aber wo war das Pferd?
    Hakon lauschte. Das Einzige, was er hörte, waren sein keuchender Atem und sein hämmernder Herzschlag.
    Irgendwo hier musste der Graf sein.
    Allmählich beruhigten sich Hakons Atem und Herz wieder. Als er hinter sich den Raben krächzen hörte, drehte er sich um und ging einige Schritte in die Richtung zurück, aus der er gekommen war.
    Wenn der Graf ihm auflauern wollte, hätte er ihn sicher längst angegriffen.
    Wieder stieß der Rabe einen Laut aus. Hakon sah den Vogel mit ausgebreiteten Flügeln auf einer Buche sitzen. Gleich neben sich hörte Hakon jetzt ein leises, plätscherndes Geräusch. Er trat an den Wegesrand und sah zwischen den Bäumen einen Bach im Schein des inzwischen aufgegangenen Mondes schimmern. Wenn der Rabe ausgerechnet an dieser Stelle wartete, hatte das etwas zu bedeuten. Hakon verließ den Weg und trat ins Unterholz. Schemenhaft war ein Wildpfad zu erkennen, der am Bach entlang tiefer in den Wald führte. Der Pfad war von frischen Spuren aufgewühlt und breit genug, um ein Pferd darüberzuführen.
    Hakons Hand schloss sich fester um den Schwertgriff.
    Das Wasser zur linken Seite, folgte Hakon den Spuren in den Wald. Der Mond schien durch die nahezu kahlen Äste. Das Bachbett zog sich durchs Unterholz, dann wieder durch sumpfiges Gelände. Hakon kniete immer wieder nieder, um die Spuren zu untersuchen. An einer Stelle glaubte er, dass der Graf hier abgesessen war, wohl um das Gewicht des Pferdes zu verringern, damit es nicht zu tief im Morast versank.
    Inzwischen war Hakon dem Wildpfad etwa eine Meile gefolgt, aber noch immer hörte oder sah er weder den Grafen noch dessen Pferd.
    Er beschleunigte seine Schritte, bis er zu einer Stelle kam, an der der Weg sich gabelte. Er wollte

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